zum Hauptinhalt
Zurück im A-Kader. Dank der Betreuung durch Daniel Fahrner gehört Philipp Schmid wieder zu Deutschlands besten Slalomfahrern.

© imago sportfotodienst

Slalom-Trainer Daniel Fahrner: Der Spezialist für hoffnungslose Fälle

Der Südtiroler Daniel Fahrner führt gescheiterte Slalomfahrer wieder zurück zum Erfolg. So kam er auch zur Ehrenbürgerwürde Kirgisistans - und einem Heiratsantrag im Fernsehen.

Von Johannes Nedo

Bis zuletzt hatte Philipp Schmid gehofft. Darauf, dass ihm die Trainer noch eine Chance geben. Darauf, dass sich der zweite Platz bei der Deutschen Slalommeisterschaft am Saisonende vielleicht noch auszahlt. Aber die Hoffnung war vergebens. Als im Frühjahr verkündet wurde, wer im nächsten Winter zum A-Kader gehört, war Schmid nicht mehr dabei. Er war am Boden zerstört.

Nicht mehr im A-Kader zu sein, bedeutet: keine organisierte Vorbereitung, keine Trainingslager, keine Unterstützung beim Material. Also eigentlich keine Chance zurückzukommen. Schmid sagt: „Ich dachte wirklich, das war es mit der Skifahr-Karriere.“ Mit gerade mal 23 Jahren.

Doch dann wollte er es noch einmal versuchen, auf eigene Faust. „Ich war noch nicht fertig damit. Ich hatte noch diese Leidenschaft in mir“, erzählt er. Schmid ist ein kerniger Bursche aus dem Allgäu, aber sehr ruhig, fast zurückhaltend. Wer hilft nun einem wie ihm? Wer trainiert einen, den die Verbandstrainer aufgegeben haben? Wer begleitet einen, der kaum Geld hat, um all die Kosten für Reisen und Trainingsfahrten zu bezahlen? Das müsste schon ein verrückter Typ sein.

Es passte also ziemlich gut, dass Schmid einen Mann traf, der über sich selbst sagt: „Ich bin ziemlich speziell. Eigentlich bin ich verrückt.“ Dieser Mann heißt Daniel Fahrner. Und er nahm sich Schmids an.

Riesengaudi mit Moldawiens Präsidenten

Fahrner ist Italiener, aus Südtirol. Ein kleiner kräftiger Kerl, ungemein freundlich und warmherzig, ein einnehmender Charakter. Und seine Leidenschaft fürs Skifahren übertrifft selbst die von Schmid. Der 43-Jährige ist so verrückt danach, dass er die verrücktesten Dinge tut. Eine davon ist die World Racing Academy. Das klingt nach einem futuristischen Sportinstitut, ist aber ein Zwei-Mann-Betrieb: bestehend aus Daniel Fahrner und seinem Sohn Martin. Doch auf eine gewisse Art ist es sogar überaus futuristisch. Fahrner betreut ein internationales, grenzübergreifendes Slalom-Team mit Sportlern aus Italien, Deutschland, der Schweiz, Belgien, Liechtenstein, Tschechien und Lettland. „Ich bin nun mal ein weltoffener Typ“, sagt er. „Und ich reiße mir den Arsch für sie auf.“ Bei ihm landen Slalomfahrer wie Schmid. Athleten, die aus dem Nationalteam oder A-Kader ihres Landes herausgefallen sind. Athleten, die eigentlich abgeschrieben wurden, sich jedoch nicht beugen und unbedingt noch einmal zurückkommen wollen. Es ist ein wilder Haufen. „Da kommen viele Kämpfer zusammen“, sagt Schmid.

Alle fangen ganz unten wieder an, bei den kleinen Fis-Rennen und im Europacup. Dort jagen sie nach Punkten, um doch wieder die Normen für den A-Kader und den Weltcup zu schaffen. Fahrner unterstützt sie dabei bedingungslos. „Ich habe eben eine Schwäche für geknickte Köpfe“, sagt er. Wahrscheinlich liegt das daran, dass auch er selbst seinen Traum vom Skiprofi zu früh beenden musste. Fahrner war ein begabter Slalomfahrer im italienischen Team. Doch bei einem Sturz verletzte er sich so schwer am Knie, dass es vorbei war mit dem Leistungssport.

Aber er wollte dabeibleiben, irgendwie. Und so arbeitete er sich hoch. Skilehrer, Trainer, schließlich bekam er den ersten außergewöhnlichen Auftrag. Kirgisistan wollte einen Skifahrer zu den Olympischen Winterspielen 2006 nach Turin schicken. Fahrner sollte es ermöglichen, und tatsächlich, es gelang ihm. Als Dankeschön wurde er Ehrenbürger Kirgisistans. „Das ist kein Witz“, sagt Fahrner. Und der Präsident kam bei ihm in Südtirol zum Skifahren vorbei. Weil dessen Kollege aus Moldawien auch dabei war und weil sie „eine Riesengaudi“ hatten, wie Fahrner erzählt, sollte er fortan eine moldawische Nationalmannschaft aufbauen.

Fahrner tat sich mit zwei Schweizer Slalomfahrern zusammen, die von ihrem Verband aus dem A-Kader gestrichen worden waren, und ließ sie in Moldawien einbürgern. „Am Anfang wurden wir nur ausgelacht“, erinnert er sich. Doch das war eigentlich das kleinste Problem. Das ständige Problem: das Geld ist immer knapp. Fahrner finanziert sein Slalom-Team über ein außergewöhnliches Konstrukt. Seine Lebensgefährtin Sonja unterstützt ihn, sie hat einen Tante-Emma-Laden, zudem vermieten sie Ferienwohnungen. Und dann sponsort ihn noch ein guter Freund, der einen Malerbetrieb besitzt, damit am Ende wenigstens eine schwarze Null herauskommt. Fahrner verdient nichts an seinem Team. „So dumm ist keiner sonst“, sagt er.

Fahrners Hauptstrategie: Selbstvertrauen geben

Warum macht er das dann? „Weil ich das immer machen wollte.“ Und so schafft er es, alle zu überraschen. Denn besonders mit einem seiner Neu-Moldawier, Urs Imboden, feierte er schnell Erfolge. Imboden kam bei der WM 2009 im Slalom auf Platz neun, bei einem Weltcup 2010 wurde er sogar Siebter.

Immer mehr ausgemusterte Skifahrer sprachen Fahrner an. Auch Philipp Schmid, der die Saison 2010/11 mit ihm verbrachte. „Es war eine große Umstellung“, sagt Schmid. So musste er aufgrund des kleinen Budgets seine Skier selbst präparieren – beim Deutschen Ski-Verband hatte er dafür die Techniker. Trotzdem wurde Schmid besser. Das schiebt er vor allem auf Fahrner: „Er ist ein großer Motivator, er hat mir so viel Selbstvertrauen gegeben. Bei ihm habe ich gelernt, dass man auch Lockerheit braucht, statt nur verbissen zu sein.“ Das ist tatsächlich Fahrners Hauptstrategie. „Ich vermittle den Athleten das Gefühl: wir stehen 100 Prozent hinter dir“, sagt der Italiener. Bei Schmid funktionierte es. Nach einem Winter mit Fahrner qualifizierte er sich wieder für den deutschen A-Kader – und der mittlerweile 28-Jährige gehört ihm seither fest an. Sein bisher bestes Resultat in dieser Saison ist Platz 14 beim Slalom in Finnland.

Nicht alle schaffen es zurück wie Schmid, aber die Erfolgsquote von Fahrners World Racing Academy ist enorm. Jüngstes Vorzeigebeispiel ist der Italiener Patrick Thaler. Er fuhr im Januar dieses Jahres beim Slalom in Kitzbühel sensationell auf Platz drei – Fahrner war danach so aus dem Häuschen, dass er beim Fernsehinterview um die Hand seiner Lebensgefährtin Sonja anhielt. „Ich bin eben ziemlich speziell“, sagt er noch mal.

Sein Antrag wurde angenommen. 2015 soll es eine große Hochzeitsfeier mit seinen Slalomfahrern geben. Aber vorher will er bei der Ski-WM im Februar wieder alle überraschen. Johannes Nedo

Folgen Sie der Tagesspiegel-Sportredaktion auf Twitter:

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false