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Sport: So schön schmerzhaft

Janica Kostelic holt trotz Knieverletzung Kombinationsgold, während Deutschland wieder leer ausgeht

St. Moritz (Tsp). Die Weltmeisterin nahm die Glückwünsche im Sitzen entgegen. Janica Kostelic musste sitzen, hier im Zielraum bei der SkiWM in St. Moritz, das rechte Knie schmerzte zu stark. Aber mit diesem lädierten Knie, in das der kroatische Mannschaftsarzt eine schmerzstillende Spritze gejagt hatte, gewann die dreimalige Olympiasiegerin gestern Gold in der Kombination. Die 22-Jährige, deren Meniskus im rechten Knie verletzt ist, setzte sich in der Gesamtzeit von 2:41,63 Minuten aus der Abfahrt und zwei Slalom-Durchgängen mit sechs Hundertstelsekunden Vorsprung vor der drei Jahre jüngeren Österreicherin Nicole Hosp (2:41,69) durch. Bronze ging an die Schweizerin Marlies Öster (2:43,83).

Und die Deutschen? Die Deutschen gingen leer aus, auch im sechsten Wettbewerb dieser WM. Martina Ertl (Lenggries) war zwar als Titelverteidigerin gestartet, aber sie landete zum Schluss in 2:45,02 Minuten auf Platz sechs. Schneller als die erfahrene Ertl war sogar die neue Hoffnung des DSV, die 18-jährige Maria Riesch aus Garmisch-Partenkirchen, die zum ersten Mal bei einer WM startete und Fünfte wurde. Isabelle Huber aus Ruhpolding kam nicht mal in die Gesamtwertung. Sie schied im zweiten Durchgang des Slaloms aus.

Dabei war Martina Ertl mit so großen Erwartungen in diese Kombination gegangen. Sie war die Titelverteidigerin, sie sollte endlich die erste Medaille für den Deutschen Ski-Verband (DSV) holen. Aber die Weltmeisterin von 2001 patzte schon in der Abfahrt, sie wurde nur 24., und diesen Rückstand konnte sie im Slalom nicht mehr aufholen. Vor allem im zweiten Lauf bot sie eine schwache Leistung. Sie ging diesen Durchgang viel zu aggressiv an, musste schon nach wenigen Toren stark abbremsen und verlor dadurch nicht bloß ihren Rhythmus, sondern auch wertvolle Zeit. „Ich wollte zu viel, deswegen bin ich in der Abfahrt zu verkrampft gefahren“, sagte sie. Maria Riesch machte es besser, sie fuhr unbekümmerter. Nach der Abfahrt lag sie auf dem ausgezeichneten vierten Rang, und plötzlich rückte sie in den Kreis der Medaillenhoffnungen. Aber diesen Erwartungen konnte sie im Slalom dann nicht gerecht werden. „Ich habe schon mit einer Medaille spekuliert“, sagte sie. „Leider habe ich aber den ersten Durchgang im Slalom verbremst. Trotzdem bin ich sehr zufrieden.“ Dafür hatte Janica Kostelic ihren großen Tag. Sie gilt als beste Skifahrerin der Welt, und sie besitzt einen unglaublichen Willen. Sie hatte vor dem ersten Durchgang des Slaloms schon erklärt, sie wolle nach diesem Lauf entscheiden, ob sie zum zweiten Durchgang überhaupt antreten werde. Die Schmerzen waren zeitweise trotz einer Spritze kaum noch erträglich. Aber sie hielt durch. Den Willen zum Erfolg hat sie nach einer ganz anderen Leidensphase extrem ausgeprägt. Vor Jahren stürzte sie bei einer Abfahrt schwer, hatte mehrere Bänderrisse im Knie und musste sich mühsam wieder heranarbeiten.

Aber mühsame, entbehrungsreiche Arbeit ist die Kroatin gewohnt. Die Weltmeisterin wurde von ihrem Vater Ante zur Weltklasse-Skifahrerin systematisch aufgebaut. Und zwar mit Mitteln, die im Skizirkus wohl einmalig sind. Weil Ante Kostelic arm war, zog er mit einem Zelt zum Schneetraining. Tochter Janica musste dann im Schlafsack übernachten. Oft genug aber hatte Ante Kostelic gar kein Geld, um in den Schnee zu fahren. Dann musste seine Tochter im Wald trainieren oder unendlich viele Treppen hochlaufen. Konditionsarbeit ohne Schnee. Um ihr die Angst vor den Sprüngen bei der Abfahrt zu nehmen, musste sie von einem 14 Meter hohen Felsen ins Meer springen. Sie absolvierte die Mutprobe ohne Zögern.

Gestern musste sie eine ganz andere Mutprobe bewältigen. Einen WM-Lauf mit einem Knie, das eigentlich hätte ruhig gestellt werden müssen. Es ging gut, Janica Kostelic gewann Gold. Das erste Gold bei einer Ski-WM für Kroatien. Aber nach wenigen Minuten Höchstbelastung bot sie im Ziel einen mitleiderregenden Anblick. „Mein Knie schmerzt extrem“, sagte sie. „Ich glaube nicht, dass ich so noch ein weiteres Rennen gewinnen kann.“ Dann mühte sich die Frau, die gerade Weltmeisterin geworden war, aus dem Ziel. Sie konnte nur noch humpeln.

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