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Ein Mann läuft bei schönem Wetter durch den Tiergarten.

© ZB

So läuft es: Der schönste Muskelkater meines Lebens

Unser Kolumnist hatte eine langwierige Knieverletzung. Dann begann er zu laufen und bekam bald schon die schönsten Schmerzen seines Lebens.

Eigentlich hatte ich mir geschworen, Sie liebe Leserin, lieber Leser dieser Kolumne nicht weiter mit meiner Krankengeschichte zu nerven. Eigentlich wollte ich aus meiner eigenen Blödheit keine große Geschichte machen. Denn jeder Läufer ist mal irgendwann verletzt. So what!? Außerdem schreibe ich Woche für Woche immer klug daher und habe mich selber nicht an das gehalten, was ich immer wieder sage: Seid achtsam mit Eurem Körper! Hört auf ihn!

Ich habe selbst alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Man fängt einfach nach einer Meniskus-OP nicht 14 Tage später wieder mit dem Laufen an. Erst recht läuft man nicht gleich wieder 15 Kilometer. Jedenfalls nicht, ohne die Quittung dafür zu kriegen. Ich habe trotzdem oft drüber geschrieben, weil ich eben einfach auch nur ein Läufer bin, so wie Sie. Ich weiß, dass viele diese Kolumne lesen, die sich hier wiederfinden. Oder aber auch Menschen, die noch nicht laufen. Die vielleicht auch die Schattenseiten des Laufens erfahren sollten. Versprochen: Nach diesem Text werde ich nie wieder von meinem Knie schreiben. Aber eines noch, weil es wirklich wichtig ist: Ich laufe wieder.

Ich bin nach drei Monaten Verletzung quasi wieder da, wo ich vor sieben Jahren war. Am Anfang. Als ich nach 20 Jahren wieder mit dem Laufen begann. Zunächst bin ich eine Minute gegangen, eine Minute gelaufen. Ganze drei Kilometer ging das so. Vergangene Woche bin ich das erste Mal wieder zehn Kilometer durchgelaufen. Mit einem „sagenhaften“ 7:30er Schnitt. Dann schon wieder sieben Minuten pro Kilometer. Ich fühlte mich genauso wie vor sieben Jahren. Fürchterlich langsam, fürchterlich kaputt nach den zehn Kilometern, aber auch ebenso glücklich, sie geschafft zu haben. Und wunderbar ist: Nach sieben Jahren habe ich endlich wieder Muskelkater. Vielleicht den schönsten Muskelkater meines Lebens. Denn es läuft wieder.

Es ist quasi wieder alles auf null. Und das ist gut so. Und ich will Ihnen gerne sagen warum: Es ist ein Geschenk, wenn der Körper einem eine zweite Chance gibt. Wenn man überhaupt wieder von null starten darf. Wir dürfen nie glauben, dass das selbstverständlich ist. Allerdings können wir sicher etwas dafür tun. Immer wieder sagen Ärzte: Wer stets gut trainiert ist, der wird besser und schneller genesen. Alleine das ist ein Grund wieder zu laufen. Weiterhin die Disziplin zu haben, wieder ins Training einzusteigen.

Denn wer weiß: Eventuell kommt wieder einmal eine Verletzung. Wieder auf null zu sein erdet und schafft Demut. Wer vor der Null nur von Marathon zu Marathon lief, verliert oft den Respekt. Zum Beispiel vor denen, die langsam und kurz laufen. Aber immerhin, sie laufen. Nur darum geht es. Gerade begegnete mir eine Frau beim Laufen. Auch sie war lange verletzt. Vor Wochen liefen wir uns über den Weg, beide gehend. Beide vermissten wir das Laufen bei Sonne und knackig kalten Temperaturen. Dann lachten wir über uns selbst. Und genossen die Langsamkeit. Und die Null. Und feierten den Muskelkater. So läuft es.

Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier an jedem Donnerstag übers Laufen.

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