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Sport: „Soll ich ihm auf die Fresse hauen?“

Hertha BSC klagt über Undiszipliniertheiten im Spiel – das Problem ist nicht neu

Berlin - Josip Simunic gelang am Ende doch noch eine überraschende Aktion: Als er nach seinem Platzverweis vom Feld stürmte, rauschte er nicht ungebremst durch die Mixed-Zone, sondern blieb genau dort stehen, wo die Journalisten warten. Simunic stellte sich vor einen Fernseher, legte die Hände an die Hüften und begutachtete die Wiederholung jener Szene, von der Manager Dieter Hoeneß später sagen würde, man habe „mit zehn Meter Anlauf gesehen, dass es Gelb gibt“. An der Eckfahne hatte Simunic Bastian Schweinsteiger umgegrätscht und sich damit in der Nachspielzeit Gelb-Rot eingehandelt. Was der Kroate nach Ansicht der Fernsehbilder von seiner Aktion dachte, blieb sein Geheimnis. Er verschwand ohne ein Wort. Ganz unüberraschend.

Am Tag danach erklärte Simunic, das Foul sei übertrieben und blöd gewesen, es tue ihm leid. Ob der Verteidiger des Berliner Fußball-Bundesligisten damit den allgemeinen Unmut besänftigen kann, ist allerdings fraglich. „Dass ich so etwas nicht gut heiße, kann man sich denken“, sagte Trainer Falko Götz. Ob Simunic eine Strafe des Vereins zu fürchten hat, wollte er am Tag nach dem Spiel nicht sagen: „Die Situation ist noch zu nah“, sagte Götz. „Ich will aus der Emotion heraus keine Entscheidung treffen.“

Simunics Ausraster hatte die Gemüter der Berliner fast mehr erregt als die 2:3- Niederlage gegen die Bayern – vor allem wegen der Zielstrebigkeit, mit der der Kroate auf den Platzverweis hingearbeitet hatte. In der ersten Hälfte sah er Gelb, nachdem er seinem Gegenspieler Makaay im Luftkampf den Ellenbogen ins Gesicht gerammt hatte. Simunics Reaktion: Vor den Augen des Schiedsrichters warf er den Ball weg. Noch vor der Pause hätte er für eine beidbeinige Grätsche an der Mittellinie erneut Gelb sehen können, doch diese Aktion blieb genauso ungestraft wie sein Nachtreten gegen den jubelnden Makaay nach dessen Treffer zum 3:1. „Was soll ich machen?“, sagte Dick van Burik. „Soll ich ihm auf die Fresse hauen?“

Zwei Platzverweise innerhalb von zwei Spielen, fünf in der gesamten Saison – nur Leverkusen und Frankfurt wurden bisher häufiger vom Schiedsrichter dezimiert. Das erinnert schon wieder an die vergangene Saison, als die Berliner direkt nach der Winterpause offensichtlich Gefallen daran gefunden hatten, jedes Spiel in Unterzahl zu beenden. Über den Umweg der Fair-Play-Wertung wird Hertha wohl nicht in den Uefa-Cup einziehen – dort liegt die Mannschaft zurzeit auf dem vorletzten Platz. Allerdings droht sie die Qualifikation für den Europapokal auch auf herkömmliche Weise zu verspielen. Neben der fortgesetzten Undiszipliniertheit hat sich Hertha nämlich auch einen anderen schädlichen Charakterzug bewahrt. Wie schon gegen Hannover und Schalke geriet die Mannschaft auch gegen Bayern nach einem Eckball in Rückstand. „Diese einfachen, unkonzentrierten Dinger passieren uns immer wieder“, sagte Dick van Burik. „Wenn wir das nicht in den Griff kriegen, werden wir uns immer wieder selbst in Probleme bringen.“

Nur drei Mannschaften – die Abstiegskandidaten Bochum, Aachen und Frankfurt – haben mehr Gegentore kassiert als Hertha, was auf einen rapiden Werteverfall hindeutet. Vor zwei Jahren stellten die Berliner noch die beste Abwehr der Liga. In der gesamten Saison mussten sie nur 31 Gegentreffer hinnehmen. Diesen Wert haben sie diesmal schon nach 20 Spielen eingestellt. „Wir machen sowohl individuelle als auch taktische Fehler“, sagt Götz, der dafür „viele Wechsel in der Viererkette und in der Mannschaft überhaupt“ verantwortlich macht. Da sei es „schwierig, einen Verbund einzuspielen“.

Für das nächste Spiel wäre demnach das Schlimmste zu befürchten. Zwar steigt Kevin-Prince Boateng morgen wieder ins Mannschaftstraining ein. Doch neben Simunic sind im Spiel beim Tabellenletzen Borussia Mönchengladbach auch Malik Fathi und Marko Pantelic gesperrt. Andreas Neuendorf meldete sich gestern krank, Jerome Boateng hatte Probleme mit der Wade, Patrick Ebert klagte über Schmerzen in beiden Knien. Das alles wird sich bis Samstag beheben lassen. Schlimmer sieht es bei Arne Friedrich aus, dessen Patellasehne entzündet ist. „Das ist ein ziemlich ernstes Problem“, sagt Götz. Ob sich die Mannschaft von selbst aufstelle, wurde Herthas Trainer gestern gefragt. „Im Augenblick stellt sie sich gar nicht auf.“

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