zum Hauptinhalt

Sport: Sonne über Wolfsburg

Marcelinho trainiert erstmals mit dem VfL

Ein bisschen Symbolik gehört natürlich auch zu einem solchen Tag. Bitteschön: Es ist kurz nach elf, als Marcelinho aus der Hand von Klaus Augenthaler eines jener gelben Leibchen bekommt, aus dem Fußballer ihre besondere Bedeutung ableiten. Wer ein Leibchen trägt, gehört dazu, und genau in dem Moment, als Marcelinho per Leibchenüberreichung in den inneren Zirkel aufgenommen wird, genau in diesem Moment bricht die Sonne durch den trüben Himmel über Wolfsburg. Ein Zeichen!

Wenn ein Verein wie der VfL Wolfsburg einen Spieler wie den Brasilianer Marcelinho verpflichtet, weiß man ja nie so genau, ob es wirklich nur um den Fußballer geht oder nicht doch um mehr. Um etwas mehr Aufmerksamkeit zum Beispiel. Als Marcelinho um zehn Uhr zum ersten Training bei seinem neuen Klub aus dem Spielertrakt tritt, stürzen sich Fotografen und Kameraleute auf ihn. Eine VfL-Anhängerin überreicht Marcelinho einen Blumenstrauß, die anderen klatschen freundlich. 300 Zuschauer stehen um den Platz, sogar die Bratwurstbude ist an diesem Morgen geöffnet, und sie macht, soweit das zu beurteilen ist, ein gutes Geschäft. Eine Reporterin von Hit-Radio Antenne befragt die Zuschauer. „Es geht nicht um Fußball“, sagt sie fast entschuldigend. „Es geht um Peter Hartz.“

Marcelinho hat für Bundesligaverhältnisse immer noch einen hohen Promifaktor, und in Wolfsburg wussten sie so etwas immer schon zu schätzen. Der VfL hegt seit jeher ein tiefes Verlangen nach ein bisschen Glamour, Marcelinho passt demnach genau ins Beuteschema: etwas verrückt, herrlich exzentrisch, nie langweilig, eigentlich völlig unwolfsburgisch also. Dass hinter Marcelinhos Verpflichtung vielleicht vor allem eine sportliche Idee stand, könnte man fast vergessen. Aber wenn eine Mannschaft in 17 Spielen gerade mal zwölf Tore zu Wege gebracht hat, ist es zumindest nicht vollkommen abwegig, einen Mittelfeldspieler zu verpflichten, der in fünf Jahren bei Hertha BSC nachgewiesen hat, dass er Tore schießen und Tore vorbereiten kann. „Wir haben lange um ihn gerungen“, sagt Klaus Augenthaler, der Trainer des VfL, als wolle er die besondere Bedeutung des Brasilianers noch einmal hervorheben.

An diesem ersten Tag in Wolfsburg gerät das Eigentliche, das Sportliche, fast zwangsläufig etwas in den Hintergrund. Nach dem Training folgen für Marcelinho: Pressekonferenz, Fototermin im Stadion, Interviews fürs Fernsehen und die Übergabe des neuen Dienstwagens, Farbe Black Magic Perleffekt, Kennzeichen WOB-DJ. Wie treffend. DJ Marcelinho, der Alleinunterhalter, der Wolfsburg zum Tanzen bringt.

Alleinunterhalter? Augenthaler sagt nach dem Training: „Er hat nicht den Star raushängen lassen und nicht versucht, alles alleine zu machen.“ Die Einheit war eigentlich ganz nach Marcelinhos Geschmack: Nach dem Warmlaufen ein ausgiebiges Torschusstraining und zum Schluss vier Spielchen auf halbem Halbfeld. Drei enden 0:0, das vierte verliert Marcelinhos Team 1:2. Ein Tor schießt der Brasilianer nicht, weshalb der Tag nach seinen bisherigen Maßstäben eigentlich ein verlorener sein müsste. Aber die bisherigen Maßstäbe gelten nicht mehr. „Ich möchte mich ändern“, sagt Marcelinho. „Ich habe gelernt.“ Es scheint, als hätte ihn das freudlose halbe Jahr bei Trabzonspor ein wenig demütig werden lassen. Nein, seine Freunde, die er in Berlin immer um sich hatte, würden nicht mit ihm nach Wolfsburg ziehen. Er wolle brillant Fußball spielen, da sei es besser, die Zeit zu Hause bei seiner zu Familie verbringen und nicht so viel wegzugehen. Marcelinho sagt: „Ich kann mich auch an eine kleine Stadt anpassen.“ Das gilt jetzt – bis zum Beweis des Gegenteils.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false