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Hergehört: Rennfahrerin Sophia Flörsch hat viel zu sagen.

© promo

Sophia Flörsch im Interview: „Ich halte nichts von einer Formel 1 für Frauen“

Sophia Flörsch fuhr als jüngste Fahrerin mit 17 Jahren in der Formel 4. Nach einem schweren Unfall hat sie ein Ziel: Weltmeisterin in der Formel 1 zu werden.

Von Sabine Beikler

Frau Flörsch, im November hatten Sie beim Macau Grand Prix einen sehr schweren Unfall und mussten elf Stunden operiert werden. Haben Sie sich wieder erholt?
Ich hatte einen Brustwirbel und einen Halswirbel gebrochen. Aber jetzt ist alles wieder gut. Anfang Januar hatte mich der Arzt als geheilt erklärt. Ich bin komplett wiederhergestellt.

Sie haben eine Titanplatte, die Ihnen eingesetzt wurde. Beim Zusammenwachsen der Knochen sollte Ihnen eine elektromagnetische Matte helfen. Schlafen Sie immer noch auf dieser Matte?
Ich habe eine Titanplatte und fünf Schrauben im Halsbereich, die das alles wieder stabilisieren sollen. Während meiner Reha-Trainingsphase habe ich auf so einer elektromagnetischen Matte geschlafen. Diese fördert die Kalzifizierung der Knochen. Jetzt schlafe ich nicht mehr auf der Matte.

Wann saßen Sie das erste Mal nach Ihrem Unfall wieder im Auto?
Ich saß im März das erste Mal wieder im Auto. Ich war mega happy, es war ein großartiges Gefühl. Ich hatte Gänsehaut und ein ganz breites Grinsen im Gesicht.

Hat der Unfall Sie mental beeinflusst?
Angst habe ich natürlich nicht. Wenn der Unfall mich beeinflusst hat, dann im positiven Sinn. Ich bin ein noch positiver denkender Mensch geworden. Ich denke, dass alles aus einem guten Grund passiert. Man wird sich schon bewusst, wie dankbar man dafür sein darf, was man alles im Leben machen kann. Ich schätze mein Leben und dass ich diesen Sport machen kann jetzt noch viel mehr.

Sie starteten 2018 in der Fia F3 European Championship mit dem Team Van Amersfoort. Die wurde 2019 abgesagt. Jetzt fahren Sie in der Formula Regional European Championship (FREC). Was ist das für eine Serie?
In der italienischen Formula Regional European Championship kommt ein Tatuus-Chassis mit Alfa-Romeo-Motor zum Einsatz. Der Rennwagen hat 270 PS und wiegt zirka 670 Kilogramm. Wir sind aktuell 14 Fahrer. Durch den Unfall habe ich quasi ein Jahr verloren. Ich konnte im Winter nicht testen. Deshalb konnte ich auch nicht wie geplant in die internationale Fia Formel 3 aufsteigen. Für mich ist die FREC eine Überbrückung und Vorbereitung auf die Saison 2020. Positiv ist, dass ich 2019 auf Rennstrecken fahre, die zum Formel-1-Kalender gehören. Das Auto und Reifen sind nah an der Formel 3 dran. Alles zusammen ist es eine gute Vorbereitung.

Wie geht es dann weiter für Sie?
Mein Plan ist es, 2020 in der Formel 3 an den Start zu gehen. Nach der Fia F3 kommt dann die Fia F2. In drei bis vier Jahren will ich es in die Formel 1 schaffen. Wie wahrscheinlich die meisten Nachwuchsfahrer will ich Weltmeisterin werden. Das ist mein klares Ziel.

Sie haben gesagt, dass die Formel 1 eine Frau haben will und auch braucht. Woran machen Sie das fest?
Der frühere Formel-1-Boss Bernie Ecclestone hat mal gesagt, Formel 1 braucht noch andere Charaktere. Er nannte dunkelhäutig. Dafür steht Lewis Hamilton. Dann sprach Ecclestone von einem Asiaten. Okay, der fehlt noch in der Formel 1. Und es geht um eine Frau. Hier bin ich! Welcher Sport kann es sich erlauben, 50 Prozent der Bevölkerung auszuschließen? Es gab noch nie eine wirklich erfolgreiche Frau in der Formel 1. Susie Wolff war von 2012 bis 2015 Test- und Entwicklungsfahrerin für das Williams-Team in der Formel 1. Sie hatte leider nicht die Möglichkeit bekommen, sich als Fahrerin in einem Formel-1-Rennen zu profilieren. Dabei war Susie verdammt schnell. Mehr Frauen im Motorsport und in der Formel 1 würden etwas verändern. Machowelten, als eine derer sich die Formel 1 leider manchmal noch präsentiert, sind unmodern und uncool. Für die Formel 1 wäre es also ein wichtiger Schritt in Zukunft.

Wie lange brauchen Sie für dieses Ziel, in der Formel 1 zu starten?
Das ist schwer zu sagen. Erst kommt die Fia Formel 3, dann die Fia Formel 2. Drei bis vier Jahre vielleicht? Das hängt stark von Budgets und Unterstützung ab. Als HWA Junior Pilot habe ich einen starken Partner an meiner Seite. Mir ist es wichtig, dass ich als Formel-1-Pilotin alle Skills, Kenntnisse und die Ausbildung habe, in der Königsdisziplin zu fahren.

„Wir Frauen können im Motorsport genauso fahren wie die Männer“

Was halten Sie von einer Formel 1 für Frauen? David Coulthard und Red-Bull-Designer Adrian Newey planen so eine Rennserie.
Das ist keine Gleichberechtigung. Ich halte davon gar nichts. Und ich würde da auch nicht mitfahren. Das wäre für mich ein sportlicher Rückschritt. Ich will gegen die Besten im Motorsport fahren, gegen sie gewinnen oder verlieren. Selbst wenn du in der W-Series schnell bist, musst du irgendwann eh wieder gegen Männer fahren. Noch setzen eben Männer den sportlichen Maßstab. Die Frauenserie ist ein Marketinggeschäft. Sportlich ohne Mehrwert.

Sie sind als jüngste Pilotin mit 17 Jahren in der Formel 4 gefahren. Wie haben die anderen Fahrer auf Sie reagiert?
Die haben völlig normal reagiert. Man kennt sich schon über mehrere Jahre und ist schon im Kartsport zusammengefahren. Man wird respektiert. Es ist doch ganz normal: Wenn Du langsam fährst, wirst Du auch als Mann nicht akzeptiert.

Sie sind auch schon ein paar Mal gegen Mick Schumacher gefahren.
Ja, ein paar Mal schon. Wir kennen uns viele Jahre. Für mich ist Mick ein ganz normaler Junge, der im Motorsport aktiv ist. Er heißt eben Schumacher. Für mich ist er ein normaler Konkurrent, den ich schlagen will. Mick hat viele Vorteile durch den Namen. Aber auch Nachteile, denn auf ihm lastet natürlich eine riesige Erwartung.

Worin liegt der Unterschied beim Fahren im Motorsport zwischen Frauen und Männern?
Wir Frauen können im Motorsport genauso fahren wie die Männer. Im Alter von sechs bis 14 Jahren sind Mädchen den Jungs hinsichtlich Gewicht, Größe und Entwicklung voraus. Im Kartsport ist das oft der entscheidende Nachteil. Jetzt mit 18 Jahren liegt er allerhöchstens darin, dass wir Frauen mehr trainieren müssen, um bestimmte Muskelgruppen aufzubauen, also die geforderte Sollkraft und Ausdauer zu erreichen. Ich trainiere zum Beispiel zweimal am Tag, wenn ich zuhause in München bin. Auf Reisen versuche ich, täglich ein bis zwei Sunden Training unterzubringen. Von der mentalen Stärke her können Frauen genauso aggressiv sein wie Männer. Oder bezweifelt das jemand? Im Rennsport benötigen wir allerdings die gleichen Trainingsvoraussetzungen wie Männer: Maximal viele Kilometer im Rennwagen auf der Rennstrecke! Hier kommt Geld und Förderung ins Spiel. Im Motorsport gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen Budget, Förderung und Erfolg.

Sie sind in Berlin bei der Formel E aktiv und zwar beim Fia-Projekt „Girls on track“, das gemeinsam mit der „Dare to be Different“-Initiative (D2BD) von Ex-Rennfahrerin Susie Wolff geführt wird. Das erste Mal kommt die Initiative nach Europa.
Ich bin seit eineinhalb Jahren Botschafterin bei „Dare to be Different“ und bei der „Fia Women in Motorsport“. Als Rennfahrerin unterstütze ich das D2BD-Projekt. Ich möchte in Berlin den Mädchen zwischen acht und 18 meine Leidenschaft näherbringen. Sie werden interessante Stationen aus dem Berufsfeld Motorsport durchlaufen. Die Mädchen können hinter die Kulissen schauen. Zum Beispiel können sie in die Reporter-Rolle springen und mir Fragen stellen. Meistens ein großer Spaß und eine neue Erfahrung für sie.

Was raten Sie Mädchen mit Interesse am Motorsport? Sie saßen mit vier Jahren im Kart.
Du musst lernen, Dich durchsetzen zu können. Selbstbewusstes Auftreten ist wichtig. Du wirst immer dann respektiert, wenn Du schnell bist. Da hilft kein Rumgeheule: Du musst genauso wie die Männer performen und Leistung zeigen. Glaube immer an dich selbst. Bleibe dir treu. Suche dir die Dinge, die dir Spaß machen. Setze dir kleine und große Ziele.

Reizt Sie die Formel E als Rennfahrerin?
Bis vor einem Jahr fand ich die Formel E nicht cool. Sie ist das Gegenteil von dem, was ich liebe, nämlich Power und Sound. Vor ein paar Wochen bin ich in einem Formel-E-Simulator gefahren und muss sagen, das ist anspruchsvoller Rennsport. Das Fahren macht mir wirklich Spaß. Die Formel E ist sehr innovativ und entwickelt sich rasant. Ich verfolge die Formel E und bin gespannt, wohin die Reise geht. Mein Ziel ist erst einmal die Formel 1. Aber ich sage niemals nie.

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