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© AFP

Spanien: Mitfahren ist alles

Was macht ein sportverrücktes Land ohne Schnee während der Winterspiele? Spanien hat versucht, der Exotenrolle zu entkommen – und ist dabei an Dopingskandalen und Strukturproblemen gescheitert

Fußball spielen können sie, die Spanier. Sie haben es darin sogar zu Europas Meisterschaft gebracht. Und Basketball. Und Handball. Aber Rodeln, Skispringen, Eiskunstlauf? Im Wintersport bleibt eine Sportnation wie Spanien nur die Rolle des südländischen Exoten. Gerade einmal 18 Athleten sollten in der vergangenen Nacht unter der spanischen Flagge ins BC Stadium von Vancouver einlaufen – etwas mehr als ein Fußballteam. Gastgeber Kanada schickt 206 Sportler ins Rennen um Silber und Gold.

Schnee gibt es in Spanien außerhalb der Pyrenäen eigentlich nur in Cercedilla. Die Fahrt hinauf wirkt surreal – zumindest im Land der Sonne. Die verschneiten Gipfel und die Temperaturanzeige im Auto, welche gen Nullpunkt sinkt, lassen einen vergessen, dass man in Spanien ist. Im Tal, in der Gegend um Madrid, herrschen zwar ebenfalls frostige Temperaturen, aber Schnee – was soll das sein? In Cercedilla kann das Skifahren mit den beliebten Sportarten Fußball oder Basketball mithalten. Einen großen Teil der 25 000 Einwohner zieht es in der Freizeit zu den Pistas. Im Stadtzentrum, auf dem Rathausplatz, steht die bronzene Statue des berühmtesten Sohnes und es gibt auf den Straßen niemanden, der behauptet, ihn nicht gekannt zu haben oder ein guter Freund von ihm gewesen zu sein. Francisco Fernández Ochoa, der spanische Olympiaheld von 1972, wurde hier geboren.

Francisco Fernández Ochoa ist Spaniens einziger Winterolympiasieger

Direkt neben dem Rathaus entsteht gerade ein Museum, welches an Ochoa und die anderen Wintersportler aus Cercedilla erinnern soll. Bei den Spielen von Sapporo hatte der Spanier sensationell Gold im Slalom geholt. Die Geschichte, wie Ochoa dem haushohen italienischen Favoriten Gustav Thöni den sicher geglaubten Sieg aus den Händen riss, ist hier längst zur Legende geworden. Was Ochoa damals nicht wusste: Es sollte die erste und einzige Goldmedaille bleiben, die Spanien bis heute bei den Olympischen Winterspielen erringen konnte. Ja, es ist sogar so: Die Medaillengeschichte der Spanier lässt sich ganz auf die Geschichte einer Familie reduzieren: die der Ochoas. Zwanzig Jahre nach Franciscos Goldfahrt belegte seine Schwester Blanca bei den Spielen von Albertville den dritten Platz, ebenfalls im Slalom. Einmal Gold und einmal Bronze, das ist alles, was die stolze Sportnation bei den Winterspielen vorzuweisen hat. Denn die Medaillen des eingemeindeten und dann wegen Dopings aufgeflogenen Johann Mühlegg – die zählen ja nicht mehr.

Lediglich zwei Spaniern werden für Vancouver Medaillenchancen eingeräumt. Snowboarderin Queralt Castellet gilt in der Halfpipe als aussichtsreiche Kandidatin, Abfahrerin María José Rienda ist nur Außenseiterin, wenn sie etwa gegen Maria Riesch antritt. Zu oft plagte sich die 29-Jährigemit Verletzungen herum. Vom Rest der Alpin-Mannschaft erwartet Juan Manuel Ochoa nichts: „Eher bildet ihr in Deutschland einen Torero von Weltformat aus, als dass Spanien eine Medaille gewinnt“, sagt der Bruder von Francisco und Blanca, der selbst zwei Mal für die spanische Alpin-Mannschaft bei Olympia startete. 1976 und 1980 war das. Schuld an der aktuellen Flaute ist laut Juan Manuel Ochoa ein „riesiges Strukturproblem“, welches der Verband nicht beheben könne. Ochoa ärgert sich vor allem darüber, dass der Verband seit Jahren ausländische Trainer ins Land holt, anstatt die eigenen Leute besser zu fördern.

Mühlegg-Affäre hängt Spanien immer noch nach

Von ausländischen Aktiven im eigenen Team wollen sie gar nichts mehr wissen in Spanien. Jeder erinnert sich noch an die Schmach, als 2002 in Salt Lake City der deutsche Skilangläufer Johann Mühlegg für die Südeuropäer zwei Goldmedaillen gewann, ehe er des Dopings überführt wurde. König Juan Carlos hatte Mühlegg eigens beglückwünscht, bevor der Betrug aufflog. Die Affäre hängt dem spanischen Wintersport nach, auch wenn Juan Manuel Ochoa sagt: „Dieser Mann repräsentiert nicht Spanien, auch wenn er für uns startete.“

An dem Skandal um Johann Mühlegg liegt es allerdings nicht, dass im Land des Fußball-Europameisters gestern noch keine rechte Olympiastimmung aufkommen wollte. Die größte Sporttageszeitung des Landes, die „Marca“, hatte für die Titelkämpfe in Vancouver nur ein paar Seiten im hinteren Teil des Blattes übrig. Und auch in der Bevölkerung hält sich außerhalb von Cercedilla die Begeisterung in Grenzen. „Das würde sich sicher ändern, wenn wir mal wieder was gewinnen würden“, ist sich Juan Manuel Ochoa sicher, ehe er hinzufügt: „Aber das ist so gut wie unmöglich.“

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