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Cruyffista auf eigenen Wegen. Julen Lopetegui, einst beim FC Barcelona, arbeitete als Jugendtrainer, ehe er beim FC Porto anheuerte. Nun übernimmt er Spaniens Seleccion.

© imago/GlobalImagens

Spaniens neuer Nationaltrainer: Julen Lopetegui: Der Sohn des Steinhebers

Julen Lopetegui soll Spaniens strauchelnde Nationalmannschaft als Trainer wieder zu Erfolgen führen. Ein radikaler Umbruch unter ihm bleibt wohl aus.

Vor knapp zwei Jahren führte eine Dienstreise Julen Lopetegui, den Basken, in die Heimat. Mit dem FC Porto reiste der Trainer zu Athletic Bilbao, Champions League, ein Mittwochabend im November, es regnete in Strömen. Lopetegui bekam einiges ab und als er später klatschnass zur Pressekonferenz erschien, hätte er allen Grund gehabt, schnell sein Programm runterzuspulen, um die Veranstaltung möglichst bald verlassen zu können. Tat er aber nicht. Stattdessen redete er und redete, über seine junge Mannschaft, 24 Jahre im Schnitt, die den erfahrenenen Gegner beim 2:0 zeitweise eine Lehrstunde erteilt hatte und über Oliver Torres, einen damals 19 Jahre alten Mittelfeldspieler, von dem Lopetegui behauptete, ihm gehöre die Zukunft. Wer dem Trainer so zuhörte, dem beschlich bald das Gefühl, dass da einer spricht, der es liebt, mit jungen Menschen zu arbeiten. Der Freude an ihrer Entwicklung hat und sie wachsen sehen will.

In dieser Hinsicht gleicht Lopetegui seinem Vorgänger Vicente Del Bosque, von dem er vergangene Woche das Amt des spanischen Nationaltrainers übernahm. Der nationale Verband hatte sich überraschend für einen Trainer entschieden, der im Vorfeld nur von Wenigen als möglicher Kandidat gehandelt wurde und dessen Name der breiten Öffentlichkeit – vor allem außerhalb Spaniens – kaum etwas sagt. Verbandspräsident Angel Maria Villar hatte lange Zeit angeblich Joaquin Caparros favorisiert, einen 60 Jahre alten Andalusier, der seit anderthalb Jahren ohne Anstellung war. Am Ende fiel die Wahl in Lopetegui aber doch auf einen, der zum Kreis einer jüngeren, hervorragend ausgebildeten Trainergeneration gehört.

Julen Lopetegui wurde vor 50 Jahren in Asteasu, einem Dorf nahe San Sebastian geboren. Eine Region, in der baskische Bräuche und Traditionen bis heute gelebt werden. Dazu gehören Sportarten, die Menschen von außerhalb des Baskenlands mitunter seltsam erscheinen. Pelota etwa, ein Spiel, bei dem zwei oder vier Menschen abwechselnd einen Ball mit der Hand gegen eine Wand schlagen. Aus Leder oder Gummi ist der Ball, mit einem Holzkern in der Mitte und tut dem ordentlich weh, der wenig Hornhaut an der Handfläche besitzt. Ein anderer Nationalsport ist Steinheben.

„Ich will eine Evolution, keine Revolution herbeiführen“

Lopeteguis Vater José Antonio war ein Steinheber. Ein sehr bekannter dazu. Das Gleiche gilt für den Opa und den Onkel. Als Sohn, Enkel und Neffe eines Steinhebers stellte sich die Frage, welche Sportart er denn ausüben würde, für Julen Lopetegui nicht. Bis ausgerechnet der Vater ihn aufforderte, mit der Familientradition zu brechen. „Weil er keine Zukunft für den Sport sah“, hat Julen Lopetegui einmal erzählt.

Der Sohn sollte sein eigene Bestimmung finden, seinen eigenen Weg gehen und kam so zum Fußball. Torwart bei Real Sociedad San Sebastian war er, wechselte in jungen Jahren zu Real Madrid und später zum FC Barcelona. Für die beiden Großen des spanischen Fußballs bestritt er aber kaum Spiele. Regelmäßig im Tor stand er für Logroñes, dort wurde er Nationaltorwart und durfte als Ersatzmann an der Weltmeisterschaft 1994 teilnehmen. Bei Rayo Vallecano beendete er 2002 seine Karriere wechselte anschließend in den Trainerstab.

Als Spieler hatte Lopetegui zwei Mannschaften erlebt, die stilprägend für den modernen spanischen Fußball sein sollten: das Real Madrid der Achtziger um Emilio Butragueño und Hugo Sanchez und Johan Cruyffs „Dream Team“ beim FC Barcelona. Lopetegui gehörte zu denen, die dem holländischen Fußball-Lehrer an den Lippen hingen, genau wie Pep Guardiola. Lopetegui und Guardiola sind bis heute befreundet, ihre Art, Fußball zu sehen und zu verstehen, ist gleich. Ballbesitz, Positionsspiel, frühes Attackieren. Cruyffistas, wie die Spanier sagen, Anhänger der Schule Cruyffs.

Aus Guardiola wurde ein Trainer für die Großklubs, Lopetegui landete im Nachwuchsbereich. Von 2010 bis 2014 trainierte er sehr erfolgreich verschiedene Junioren-Nationalmannschaften Spaniens, mit der U 19 und der U 21 wurde er Europameister. David de Gea, Koke, Thiago, Javi Martinez, Alvaro Morata oder Daniel Carvajal gehörten zu den Talenten, die Lopetegui förderte. Alles Spieler, die in Zukunft das Gerüst der Nationalmannschaft bilden sollen.

Nach der enttäuschenden Europameisterschaft, die mit dem Aus im Achtelfinale gegen Italien endete, verneinte Lopetegui bei seiner Vorstellung einen radikalen Umbruch. „Ich will eine Evolution, keine Revolution herbeiführen“, sagte er. Langjährige Stützen wie Andres Iniesta, Gerard Pique oder Sergio Ramos werden weiterhin dabei sein, wenn es in der anstehenden WM-Qualifikation wieder gegen Italien geht. Junge Talente, mit denen Spanien zahlreich gesegnet ist, will Lopetegui langsam in die Selección integrieren. Sein einstiger Lieblingsschüler Oliver Torres, an dem Borussia Dortmund großes Interesse zeigte, wird vermutlich aber erst einmal nicht dazu zählen. Torres, Spieler von Atletico Madrid, wusste im Klub bisher nur zu überzeugen, wenn Lopetegui sein Trainer war.

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