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Spiel in Hamburg: Für Hertha geht es jetzt um alles

Im Spitzenspiel beim Hamburger SV kämpft Hertha BSC gegen den Ruf an, in entscheidenden Momenten zu versagen. Es geht um ein anderes Image - und um 20 Millionen Euro.

Berlin - Es ist noch gar nicht so lange her, da ist Lucien Favre über eine interessante Personalie unterrichtet worden. Hertha BSC arbeitet an der Verpflichtung von Ivan Klasnic. Die Verhandlungen sollen schon sehr weit fortgeschritten sein, der kroatische Nationalspieler ist beim FC Nantes nicht so richtig glücklich und würde gern nach Deutschland wechseln. Favre fand das sehr interessant, weil er erstens selbst noch nichts davon wusste, zweitens nicht nach seiner Meinung gefragt wurde, drittens nicht allzu viel von Klasnic hält und viertens, auch nicht ganz unwichtig, immerhin der Trainer von Hertha BSC ist.

Ivan Klasnic hat sieben Jahre lang in Bremen gespielt, geboren ist er in Hamburg, ebendort, wo Favre heute mit Hertha zum Spitzenspiel der Fußball-Bundesliga anzutreten hat. Hängt eben doch alles mit allem zusammen.

Herthas Manager Dieter Hoeneß findet, das Spiel beim Hamburger SV sei so wichtig, „dass man dazu eigentlich gar nichts mehr sagen muss“. Lucien Favre entgegnet, es gebe noch fünf Spiele, und alle seien sie genauso bedeutend. Hoeneß sagt: „Wenn wir beim HSV gewinnen“, werde er vielleicht ein neues Saisonziel ausgeben. Favre wiederum hält nichts von einem Leben im Konjunktiv, „ich sage nie ,wenn‘, ich denke immer nur an das nächste Spiel“.

In trauter Harmonie also bereitet sich Hertha BSC auf ein Spiel vor, das zwar nicht zwischen Himmel und Hölle, aber doch über die kurzfristigen Perspektiven entscheiden wird. Ein Sieg in Hamburg würde den Berlinern alle Möglichkeiten eröffnen, die auch aus finanziellen Gründen nicht ganz unwichtige Champions League zu erreichen. Es geht um verdammt viel Geld, geschätzt 20 Millionen Euro. Natürlich denkt daran kein Spieler beim Schießen-Flanken-Köpfen, aber mit dem Unterbewusstsein ist das so eine Sache, und hat Hertha entscheidende Spiele nicht schon immer in den Sand gesetzt?

1979, im Halbfinale des Uefa-Cups, hätte ein 2:0 gegen Roter Stern Belgrad für den Einzug ins Finale gereicht, genauso stand es bis kurz vor Schluss, als den Jugoslawen doch noch ein Tor gelang. 1981 musste nach dem Abstieg in die Zweite Liga am vorletzten Spieltag daheim im Olympiastadion ein Punkt gegen Eintracht Braunschweig her für die direkte Rückkehr. Das Spiel ging 2:4 verloren. Zwischenzeitlich stürzte Hertha ab in die Oberliga, für ein Comeback im bezahlten Fußball hätte 1987 ein Remis gegen den BVL Remscheid gereicht. Hertha verlor 1:3. Ein paar Jahre und eine politische Wende später ging es am vorletzten Spieltag der Saison 1999/2000 bei 1860 München um die Qualifikation für die Champions League. Hertha verlor 1:2. Und am 21. Mai 2005 hätte gegen die im bedeutungslosen Tabellennirvana verstrandeten Hannoveraner ein Tor gereicht für den Einzug in die Champions League, aber dieses eine Tor wollte trotz permanenter Überlegenheit nicht fallen, so dass völlig unverhofft Werder Bremen auf dem dritten Tabellenplatz landete und seine internationale Erfolgsgeschichte fortsetzen durfte.

Folgt nun am Sonntag in Hamburg ein Da Capo? In der öffentlichen Wahrnehmung hat Hertha zwar die schlechter besetzte Mannschaft, geht aber immerhin ausgeruhter ins Spiel, weil sich die Hamburger am Donnerstag beim 1:0-Sieg im Uefa-Cup-Halbfinale bei Werder Bremen so sehr austobten, dass ihre Schritte am Sonntag schon ein wenig kürzer werden könnten. „Davon habe ich am Donnerstag nichts gesehen“, sagt Favre, und dass die Hamburger ganz bestimmt auch gegen Hertha an die Grenze ihrer Belastbarkeit gehen würden. Dass der Ex-Herthaner Jerome Boateng, der erfolgreichste Stürmer Mladen Petric, der Brasilianer Alex Silva und vielleicht auch Marcell Jansen fehlen werden, interessiert den Berliner Trainer nicht weiter. Der HSV sei nun mal der HSV, sagt Favre, „sie gehen sehr hohes Tempo, haben sehr viel Power und sind sehr präsent“.

Lucien Favre würde sich eher die Zunge abbeißen, als etwas Schlechtes über einen Gegner zu erzählen. Aber auch ihm wird nicht entgangen sein, dass die Hamburger Regenerationsphasen zuletzt nicht immer den erwünschten Effekt brachten. Am vergangenen Mittwoch spielte der HSV im Halbfinale des DFB-Pokals 120 Minuten plus Elfmeterschießen gegen Werder – und war drei Tage später beim 0:2 in Dortmund nahezu chancenlos.

Viele Fragen um den Hamburger SV, den Berliner Trainer interessieren sie nicht. Lucien Favre sagt: „Der Gegner ist wichtig – aber wir sind noch wichtiger.“

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