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Wir tragen eine Fahne. Nordkoreas Judo- Trainer und eine südkoreanische Basketballerin trugen bei Olympia 2000 die „Flagge der koreanischen Halbinsel“. Foto: dpa

© picture-alliance / dpa

Sport: Spiel mit mir

Sport kann zum Frieden beitragen. Leicht ist das nicht, wie das indisch-pakistanische Tennisdoppel zeigt.

Vielleicht war die Geschichte doch zu schön, um von Dauer zu sein. Ein Tennisspieler aus Indien und einer aus Pakistan finden sich zusammen zum Doppel. Sie vergessen einfach, dass ihre beiden Heimatländer sich permanent streiten, mindestens um die Region Kaschmir, und deswegen auch schon Krieg gegeneinander führten. Der Inder Rohan Bopanna und der Pakistani Aisam-Ul-Haq Qureshi harmonieren so gut miteinander, dass sie 2010 bei den US Open das Finale erreichen. Doch das Doppel hat sich nun getrennt, und so wird es erst einmal keine Bilder mehr geben wie das der beiden aus Wimbledon, als auf Bopannas T-Shirt „Stop War“ stand und auf Qureshis „Start Tennis“.

Mit ihrem Zusammenspiel hatten die beiden mehr Aufmerksamkeit erreicht als mit ihren sportlichen Erfolgen. Friedensbotschafter des Sports waren sie auf einmal und bei ihrem Doppel bei den US Open hatten sich auch die UN-Botschafter ihrer Länder nebeneinander ins Stadion gesetzt. Verständigung schien spielerisch leicht. Wieder einmal wurde der Sport dafür gerühmt, Verbindungen und Vertrauen zu schaffen, auf andere Weise als es die Politik jemals könnte. Der Sport pflegt schon seit der Antike den Ruf, ein Friedensstifter zu sein. Aber was kann er überhaupt erreichen?

Die großen Sportorganisationen nehmen gerne für sich in Anspruch, die besten Völkerverständiger zu sein. Funktionäre aus dem Internationalen Olympischen Komitee und dem Fußballweltverband Fifa glaubten schon, den Friedensnobelpreis verdient zu haben. Zu einer „friedlichen Gesellschaft“ beitragen zu wollen, hat das IOC auch in seine Charta geschrieben. Bei den Olympischen Spielen von Sydney 2000 und Athen 2004 liefen die Mannschaften Nord- und Südkoreas bei der Eröffnungsfeier hinter einer gemeinsamen Flagge ins Stadion ein. Das war die Vermittlungsleistung des Sports. „Dass der Sport zum Frieden beiträgt, wird von Sportverbänden gerne als Mythos benutzt“, sagt Patrick Schreiner, der über den Einsatz von Sport als diplomatischem Mittel promoviert hat und jetzt beim Deutschen Gewerkschaftsbund arbeitet. „Es kann sinnvoll sein, Sport in der Diplomatie einzusetzen“, hat er herausgefunden, „aber man sollte dessen Möglichkeiten realistisch einschätzen.“

Schon der Ursprung der sportlichen Friedenssaga, der olympische Friede in der Antike, ist ein Mythos. Bei den Spielen in Olympia 364 vor Christus wurde sogar im heiligen Bezirk gekämpft. Bei den jüngsten Sommerspielen 2008 in Peking brach nahezu zeitgleich mit der Eröffnungsfeier ein Krieg im Kaukasus zwischen Georgien und der von Russland unterstützten Region Südossetien aus. Von wegen olympische Waffenruhe. Immerhin lieferte der Sport ein Bild der Verständigung, als sich eine Medaillengewinnerin aus Russland und eine aus Georgien auf dem Siegerpodest demonstrativ umarmten. „Diese schöne Geste zeigte, was wir tun können: Frieden leben im Sport“, schreibt der Hamburger Sportwissenschaftler Claus Tiedemann im „Handbuch zum Frieden“.

Überhaupt kann der Sport mit Bildern helfen und mit einem Rahmen. Die Ping-Pong-Diplomatie Anfang der siebziger Jahre hat das geschafft, als China ein Tischtennisteam des Klassenfeinds USA ins Land einlud, ehe ein Jahr später Richard Nixon als erster Präsident der USA die Volksrepublik China besuchte. Die Ping-Pong-Diplomatie sieht auch Schreiner als ideales Beispiel. Zwei Voraussetzungen hat er herausgearbeitet, die erfüllt sein müssen, damit der Sport etwas zum Frieden beitragen kann. Erstens müsse die sportliche Begegnung auf beiden Seiten als unpolitisch angesehen werden. „Der Sport muss erst einmal als Sport verstanden werden – allenfalls in zweiter Linie als Politik. Bedingung ist gerade seine Autonomie.“ Zweitens müsse sportliche Leistung als Wert anerkannt werden. „Das Kriterium der Leistung ermöglicht mir, den anderen zu schätzen – auch über politische Schwierigkeiten oder nationalstaatliche Grenzen hinweg“, sagt Schreiner.

Auch die Vereinten Nationen bemühen sich, mit Sport etwas zu erreichen. Der ehemalige Manager des Fußballbundesligisten Werder Bremen, Willi Lemke, reist als UN-Sonderberater für Sport um die Welt und lobt überall die verbindende Wirkung. Und es gibt eigene Organisationen, die Frieden durch Sport unterstützen wollen wie „Peace and Sport“, ansässig in Monaco. Erst im November hat „Peace and Sport“ gemeinsam mit dem Internationalen Tischtennis-Verband (ITTF) in Katar ein Turnier nach Vorbild der Ping-Pong-Diplomatie veranstaltet. Spitzenspieler aus verfeindeten Ländern wie Nord- und Südkorea spielten dabei zusammen Doppel. „Das ist der richtige Weg nach vorne und wir sind Zeugen einer neuen Ära des Sports als Förderer des Friedens“, sagte ITTF-Präsident Adham Sharara. Ob aber das Turnier etwas in Gang gesetzt hat, ist nicht messbar.

Ebenso wenig wie die Wirkung der vielen kleinen Initiativen, die Begegnungen an der Basis ermöglichen und das verbindende Potenzial des Sports nutzen. „Bewegungskultur und Sport sind weltweit beliebte Tätigkeitsfelder, in denen gewaltfreie, friedliche Umgangsformen spielerisch eingeübt werden können“, erklärt Claus Tiedemann. Und Schreiner sagt: „Wenn sich Fußballmannschaften aus zwei verfeindeten Ländern im Rahmen eines Austauschs begegnen und miteinander spielen, halte ich das durchaus für sinnvoll, mindestens für die 22 Leute auf dem Platz. Der Frieden bricht dadurch aber sicherlich nicht unmittelbar aus.“

Wenn Sportverbände mit dem Argument der Friedensförderung werben, geht es ihnen nach Schreiners Ansicht auch ums Geschäft. Etwa, wenn sie der Fußballweltmeisterschaft das Motto „Die Welt zu Gast bei Freunden“ geben. „Das ist nur die halbe Wahrheit“, sagt Schreiner, „denn auf der anderen Seite spielt eben Deutschland gegen Italien, im Fußball wird das Nationalstaatliche auch immer wieder gestärkt. Es geht also gleichzeitig um ein Überschreiten und ein Bestärken von Grenzen – eine notwendige Widersprüchlichkeit.“

Daran ist wohl auch das indisch-pakistanische Doppel zerbrochen. Rohan Bopanna wollte lieber mit einem indischen Landsmann weiterspielen. Er will bei Olympia 2012 in London eine Medaille, und dort sind nur Doppel aus einem Land zugelassen. Immerhin hat er gerade ein Tennismatch im indisch-pakistanischen Grenzgebiet vorgeschlagen. Und in dieser Woche seinen ehemaligen Doppelpartner in Pakistan besucht. Qureshi hatte ihn zu seiner Hochzeit eingeladen.

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