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Sport: Spiel verloren, Entscheidung vertagt

Nach dem 1:2 gegen Rostock drückt Leverkusen sich noch um die Entlassung von Trainer Toppmöller

Leverkusen. Es war eine Atmosphäre wie auf einer Beerdigung. Stumm und lautlos. Eine Stunde nach der 1:2-Niederlage Bayer Leverkusens gegen Hansa Rostock stand Reiner Calmund in den Katakomben der Bayarena und wartete, den Blick gesenkt, auf das Fernseh-Interview. Minutenlang gab der Lautsprecher der Liga keinen Ton von sich, minutenlang beherrschte betretenes Schweigen die Szene, die sonst so geschwätzig wirkt und so geschäftig. Nun jedoch bewegte sich kaum jemand. Weil jeder die Konsequenz aus der fünften Niederlage in Folge erwartete, die Konsequenz aus der siebten Heimniederlage in dieser Saison: Den Rauswurf von Trainer Klaus Toppmöller. Doch noch ist es nicht soweit. „Wir werden heute definitiv keine Entscheidung darüber treffen“, sagte der Manager, weil die Klubführung „ein bisschen emotional“ sei. Nach dieser erneut desaströsen Leistung Bayer Leverkusens kann indes kein Zweifel mehr bestehen: Das Ende der Zusammenarbeit mit Toppmöller wird heute vollzogen.

Bereits zur Halbzeit hatte der Manager kaum Hoffnungen gehegt, das 1:2 noch einmal aufholen zu können. „Es ist wirklich erschreckend, was da unten passiert“, sagte er da schon resigniert, und dass es darauf ankommen würde, die Mannschaft in der Pause nun „mental zu beruhigen“. Damit spielte Calmund insbesondere auf den Nationalspieler Carsten Ramelow an, der kurz zuvor beim Spiel entscheidenden 1:2 nur zugeschaut hatte. Diese Situation war symptomatisch für den Verfall des Leverkusener Spiels: Der Togolese Bachirou Salou hatte an der Mittellinie den Ball von Marcus Lantz übernommen, war beunruhigend unbedrängt in den Strafraum gedrungen und hatte dort den erfahrensten Leverkusener Spieler wie einen Schüler aussteigen lassen. Und schob dann, völlig frei stehend, aus gut acht Metern den Ball an Butt vorbei.

Fortan pfiffen die Fans Ramelow aus, wenn er auch nur entfernt die Nähe des Balles zu kommen drohte. Wohlgemerkt: Es waren die eigenen Fans, die da pfiffen. Eine schlimmere Demütigung kann es für Ramelow, der seit 1995 in Leverkusen unter Vertrag steht und viele Tiefen und Höhen erlebte, nicht geben. „Sein Abwehrverhalten war enttäuschend“, sagte Toppmöller später. Er hatte Ramelow zur Halbzeit ausgewechselt. Um ihn zu schützen.

Aber es wäre falsch, die allgemeine Leverkusener Verunsicherung nur an Ramelow festzumachen. Denn von Beginn an zeigte die Heimmannschaft zwar den Willen, sich gegen das drohende Unglück zu stemmen, doch allen fehlte das Vermögen, den Rostocker Abwehrriegel zu knacken. Leverkusen, das letzte Saison noch ganz Europa mit seiner fantastischen Spielkultur beeindruckte hatte, scheiterte also nun erneut an seinen spielerischen Möglichkeiten. Schneider & Co. mussten sich daher mit profanen, ja geradezu rustikalen Mitteln des Fußballs behelfen: mit langen Flanken in den Strafraum, die angesichts des mangelhaften Kopfballspiels der Stürmer Neuville und Berbatow zu einem Produkt des Zufalls geraten mussten. Nur einmal führte einer dieser hohen Bälle zu einem zählbaren Ergebnis. Das war in der 38. Minute, als Marko Babic mit einem Direktschuss aus 12 Metern zum 1:1 ausgleichen konnte.

Zu diesem Zeitpunkt, das hatte auch Calmund registriert, „lagen die Nerven der erfahrenen Spieler schon so blank, dass man sich wirklich große Sorgen machen muss“. Spätestens das 0:1 durch Bachirou Salou dokumentierte bereits die ganze Aussichtslosigkeit und Zwangsläufigkeit, mit der Leverkusen gegen diese erneute Niederlage anlief. Bei diesem ersten Rückstand in der 35. Minute versagte Cris, der brasilianische Ersatz für den verletzten Innenverteidiger Nowotny, als ihm Salou auf seinem 30 Meter langen Weg zum Tor enteilen konnte.

„Eklatante Abstimmungsprobleme“ in der Abwehr analysierte Klaus Toppmöller hinterher, und dass seine Spieler diesen Salou „nie in den Griff bekommen“ hätten. Auch ihm wird jetzt klar sein, dass sein Ablösung nur noch eine Frage von Stunden ist, denn auch er weiß: „Wir sind fast in der Hölle angelangt.“ In der Tat: Der Abstieg ist für Bayer nicht mehr fern.

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