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Sport: Spiele der kleinen Hoffnung

Bei Olympia in Athen haben nur wenige deutsche Leichtathleten Chancen auf eine Medaille

Irgendwann sank Andreas Pohle auf die Knie und beugte mit ausgebreiteten Armen seinen Oberkörper nach vorne, als wäre er ein Muslim beim Morgengebet. Sicherheitshalber hatte er zwei Sekunden zuvor noch mal auf die Anzeigentafel geblickt. Doch dort hatte sich nichts verändert. „16,99 m“ leuchtete auf, es blieb also dabei: Andreas Pohle hatte sich in seinem letzten Versuch das Olympia-Ticket im Dreisprung gesichert. Nebenbei war er in Braunschweig auch noch Deutscher Meister geworden.

Pohle hat seine persönliche Bestleistung um 63 Zentimeter gesteigert, das ist stark, er kann jetzt in Athen verfolgen, wie andere um Medaillen springen. Charles Friedek galt als Medaillenkandidat. Er ist 2004 schon 17,40 m gesprungen, nur fünf Athleten waren in diesem Jahr besser. Aber Friedek ist derzeit verletzt, noch ist nicht mal sicher, dass er nach Athen fährt. Medaillenaussicht der Deutschen im Dreisprung also: minimal.

Ja, gibt es denn überhaupt Medaillenchancen? Und was sagen die Deutschen Meisterschaften darüber aus? Es hat ja geregnet, der Wind blies, es war kühl. Die Meisterschaften sagen also nicht viel aus, Topresultate waren bei diesen Bedingungen kaum zu erwarten. Doch dass Deutschland nur wenige Medaillenkandidaten hat, das war vorher schon klar. Aber immerhin, es gibt einige. Speerwerfer Boris Henry ist in der Weltrangliste Dritter, er hat in Braunschweig mit 86,36 m gut geworfen. Astrid Kumbernuss muss wegen einer Fußverletzung zwar fast aus dem Stand stoßen, aber sie ist mit ihrer Saisonbestleistung von 19,60 m immer noch die drittbeste Frau in der Welt. Bei ihr ist die Frage, ob sie im Wettkampf ihre aktuelle Bestleistung abrufen kann. In Braunschweig stieß sie nur 19,08 m. Und Nadine Kleinert ist mit ihrer Saisonbestleistung von 19,37 m immerhin die fünftbeste Frau der Welt. In Braunschweig wuchtete sie die Kugel zwar nur auf 18,70 m, aber sie kam aus vollem Training. Und besser als Steffi Nerius, die WM-Dritte von 2003 im Speerwerfen, waren 2004 nur vier Frauen.

In Braunschweig gab es ein paar unerwartet gute Leistungen, aber sie sind bedeutungslos für die Medaillenzählerei. Kirsten Bolm sprintete über 100 m Hürden 12,82 Sekunden, das ist für sie sehr gut, in der Weltrangliste verbesserte sie sich damit aber nur auf Platz 53. Tobias Unger gewann die 200 m in für ihn sehr guten 20,42 Sekunden, aber in Athen ist er damit nur Mitläufer. Und Ingo Schultz, der 400-m-Europameister von 2002? Schultz rannte 45,95 Sekunden. Seine Saisonbestzeit: 45,49. In der Welt wurden 2004 aber schon 22 Mal Zeiten unter 45 Sekunden gelaufen. Und die 5,70 m, mit denen Danny Ecker den Stabhochsprung gewann, sind in Athen wenig wert. Toby Stevenson (USA) führt die Weltrangliste mit 6,00 m an.

Fast schon blamabel freilich waren die Leistungen im Hochsprung der Männer, auch wenn der Boden nass war und die Athleten Angst vor Verletzungen hatten. 2,17 m sprang Roman Fricke, das reichte zum Sieg. Zum Vergleich: Der Deutsche Jugendmeister 2000 gewann mit 2,14 m. Er wurde auch noch Vizemeister im Dreisprung. Inzwischen hat er sich ganz auf den Dreisprung spezialisiert. Der Jugendmeister von 2000 heißt Andreas Pohle.

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