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Sport: Spielen, siegen, lachen

Martina Hingis genießt ihre zweite Karriere und erreicht bei den Australien Open die dritte Runde

Martina Hingis hat einfach Spaß. Sie geht freudig auf den Platz, sie kehrt noch glücklicher zurück, sie strahlt bei jeder Pressekonferenz und geht dann wieder ihrer Wege, immer noch mit einem Lächeln im Gesicht. Auch gestern hatte sie Grund dazu, eigentlich sogar zwei: Die Schweizerin gewann nämlich nicht nur gegen die Finnin Emma Laine 6:1, 6:1, sondern sah vorher auch noch, wie die Tschechin Iveta Benesova ihre vermeintlich nächste Gegnerin Mary Pierce ausschaltete.

Martina Hingis hätte ihr Comeback nach mehr als dreijähriger Abwesenheit vom Profitennis nicht besser planen können. An der Gold Coast auf Anhieb ins Halbfinale gekommen, in Sydney ein erster Härtetest, wenn auch mit einer Niederlage gegen Justine Henin-Hardenne, und jetzt ist sie der Liebling bei den Australian Open. Martina, die Vielgeliebte, das war nicht unbedingt immer so. Im Finale von Paris 1999 etwa pfiff das Publikum sie nach ihrer Niederlage gegen Steffi Graf gnadenlos aus.

Ihr Comeback war von vielen mit Skepsis aufgenommen worden. Spielerinnen wie die Weltranglistenerste Lindsay Davenport hatten gewarnt, es würde ganz schwer werden. Mittlerweile hat auch die Amerikanerin ihre Meinung geändert: Hingis habe immer noch die Fähigkeit, mit den Powerspielerinnen umzugehen. Sehr nett sei das gewesen von Lindsay sagte die so Gelobte, die von dem Kompliment aus der Zeitung erfuhr und als eine der wenigen Spielerinnen überhaupt zugibt, das zu lesen, was über sie geschrieben wird.

Langsam, aber sicher finde sie zur alten Form zurück, berichtete Hingis, die in gut drei Wochen offenbar reichlich Selbstbewusstsein getankt hat, ohne überheblich zu wirken, wie das zu Zeiten ihrer „ersten“ Karriere schon manchmal der Fall war. Vor allem die Abnabelung von ihrer früher sehr dominierenden Mutter und Trainerin Melanie Molitor macht sie offenbar ein bisschen stolz. Ob sie schon angerufen habe, wurde sie nach dem Match gefragt. „Nein, ich will mir ja die Laune nicht verderben“, sagte sie.

In ihren Körper könne sie inzwischen viel besser hineinhorchen, erzählte Hingis. Daher könne sie ihr Training und ihre Spiele auch besser gestalten. Auf dem gesamten Australien-Trip ist nur ihr Trainingspartner Radim Valigura dabei und ihr Manager Mario Widmer, der auch der Lebensgefährte von Molitor ist. Hingis ist nun selbstständig geworden.

Ob sie tatsächlich schon mithalten kann, wenn die ganz schweren Gegnerinnen kommen, das ist noch nicht zu beantworten. In Sydney war der Leistungsunterschied zu Henin-Hardenne noch sehr deutlich, mittlerweile scheint Hingis aber gleich mehrere Schritte nach vorn gemacht zu haben. Frühestens im übernächsten Spiel kann sie auf eine gesetzte Spielerin treffen, erst in der Runde der letzten acht auf die starke Belgierin Kim Clijsters, die sich aber mit einer Verletzung von Match zu Match schleppt.

Hilfreich für Hingis ist auch der Respekt, den viele noch vor ihr haben, wie sie schon an der Gold Coast überrascht feststellte. Ihre finnische Gegnerin räumte am Donnerstag gar ein, sie habe gezittert vor lauter Aufregung. Benesova, gegen die sie am Samstag antritt, erklärte, es sei „eine große Ehre“, gegen Martina spielen zu dürfen, und bezeichnete sie als eines ihrer Idole. Dabei ist die 22-jährige Tschechin immerhin Nummer 45 der Weltrangliste und bräuchte sich nach ihrer starken Leistung gegen Mitfavoritin Pierce eigentlich nicht zu verstecken. Hingis ist zwar nur zwei Jahre älter als sie, aber die Schweizerin war schon die jüngste Weltranglistenerste, bevor Benesova überhaupt Profi wurde. Jetzt, mit 25, ist Martina Hingis immer noch jung genug für eine neue, lange Tenniskarriere.

Alexander Hofmann[Melbourne]

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