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Sport: Spieler, hört die Signale!

Im Endspiel der Champions League zwischen Turin und Mailand begegnen sich zwei ungewöhnliche Trainer

Mailand. Carlo Ancelotti bringt so schnell nichts aus der Fassung. Er reagiert gewöhnlich ruhig und besonnen. Selbst in den hektischen Phasen eines Fußballspiels fällt der gemütliche Trainer kaum einmal aus der Rolle. Ganz anders dagegen Marcello Lippi. Der Mann aus der Toskana ist aufbrausend, seinen Spielern tritt er als unerbittlicher Schleifer gegenüber, Autorität geht ihm über alles.

Unterschiedlicher können die Charaktere der beiden Trainer nicht sein, die sich heute (20.45 Uhr, MESZ, live bei RTL und Premiere) mit ihren Mannschaften im rein italienischen Finale der Champions League in Manchester gegenüberstehen. Ancelotti, der Trainer vom AC Mailand, 44 Jahre alt, kündigt vor dem Spiel im Old Trafford das an, was er selbst vorlebt. „Ich werde meinen Spielern Gelassenheit predigen.“ Sein Berufskollege Lippi, Trainer von Juventus Turin, 55 Jahre alt, hält dagegen, indem er seine Lebensauffassung den Spielern vermitteln: Er bläut ihnen eiserne Disziplin ein. Der Verzicht auf Bewährtes kommt für Lippi nicht in Frage: Vom 4-4-2-System will er nicht abrücken.

Die beruflichen Lebenswege von Marcello Lippi und Carlo Ancelotti haben sich als Trainer bei Juventus gekreuzt. Wobei Lippi einen Vorteil davontrug. Es ist fast Ironie des Schicksals, dass Ancelotti erst Lippis Nachfolger war und dann zwei Jahre später als Lippis Vorgänger abtrat. Ancelotti war es, den die Juventus-Chefetage 1999 verpflichtete, als Lippi nach drei Meistertiteln, einem Champions-League- und einem Weltpokalsieg Ermüdungserscheinungen zeigte und entlassen wurde – wegen Erfolgslosigkeit. Lippi war es dann wiederum, der Ancelotti beerbte. Das Vereinstriumvirat Roberto Bettega, Luciano Moggi und Antonio Giraudo hatte nach eineinhalb Jahren Ancelottis vorzeitige Entlassung beschlossen. Grund: „Juve“ hatte in Italiens Meisterschaft nur Platz zwei belegt – zu wenig für diesen Klub.

Ancelotti leidet auch jetzt: Wenn seine Elf das Finale nicht gewinnt, dann dürften seine Tage als Cheftrainer beim AC Milan gezählt sein. „Nach der Saison werden wir mit Ancelotti eine Bestandsaufnahme machen, und die wird über die Zukunft entscheiden“, mahnte Milan-Vizepräsident Adriano Galliani. Bislang hat Ancelotti das letzte Quäntchen Glück in seiner Trainerkarriere gefehlt. Als Spieler galt er als der verlängerte Arm von Trainer Arrigo Sacchi, dessen Assistent er nach seiner aktiven Laufbahn bei der Nationalmannschaft wurde. Doch schon bald stürzte er sich ins Getümmel der Serie A. Zunächst übernahm er seinen Heimatklub Reggio Emilia, wechselte zum AC Parma, bevor er schließlich bei Juventus Turin landete. Als Milan wieder einen Trainer suchte, fiel die Wahl auf Ancelotti, den Milan-Präsident Silvio Berlusconi als eine Art Urgestein des Vereins ansieht. Revanchegelüste gegenüber „Juve“ hegt Ancelotti nicht. „Ich muss Juventus nichts beweisen“, sagt er. Zuletzt hatte der Trainer ein paar Differenzen mit Berlusconi und Galliani. Es ging um das Spielsystem und den Einsatz diverser Spieler.

Am Ende der Hinrunde führte der AC Mailand die Tabelle der Serie A an. Nach der Rückrunde hat die Mannschaft nur knapp den dritten Tabellenplatz behaupten können. Sollte Milan in Manchester gewinnen, dann spielt die Mannschaft im nächsten Jahr ganz sicher wieder in der Champions League, reist nach Tokio zum Weltpokalfinale. Und wenn nicht? Dann folgt die mühselige Qualifikation für die Champions League im Sommer. „Dann wird alles anders“, kündigte Galliani in der „Gazzetta dello Sport“ an. Auch für Carlo Ancelotti? Dass er dann gehen muss, damit wird in Italien gerechnet. Da nutzt es auch nichts, dass er dem AC Milan Zugeständnisse bei seiner Gage machte. Statt 1,8 Millionen Euro verdient er bis 2005 jetzt 1,5 Millionen pro Jahr.

Auch Marcello Lippi hängt das Stigma an, dass er nur im Stande ist, mit Juventus Turin erfolgreich zu sein. Bei Inter Mailand, wo Lippi ein Trainer-Gastspiel gab, gelangen ihm nicht genügend Siege, obwohl er hochkarätiges Personal zur Verfügung hatte. In der Champions League könnte Lippis Bilanz auch besser sein. Bei drei Finalteilnahmen verloren seine Spieler zweimal. Lippi wünscht sich, einmal Italiens Nationalelf zu trainieren. Als Trapattonis Stuhl zuletzt mächtig wackelte, wurde Lippi als Nachfolger gehandelt. Die Verbandsoberen baten Juventus, Lippi freizugeben. Vergeblich. Nun muss Lippi sein Vorhaben auf die Zeit nach 2005 verschieben. Denn bis dahin hat er seinen Vertrag mit Juventus verlängert.

Vincenzo Delle Donne

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