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Sport: Spione auf hoher See

Beim America’s Cup soll das Reglement vor Ideenklau schützen, aber Alinghi-Sportdirektor Schümann zeigt Auswege

Berlin. Jochen Schümann ist völlig überrascht. Die Frage, ob der nächste America’s Cup vor Kiel oder Warnemünde stattfinden könnte, verwirrt ihn erst einmal. Er wiederholt deshalb die Frage. Offenbar, um für die Antwort ein wenig Zeit zu gewinnen, fragt der Sportdirektor der Schweizer Yacht Alinghi noch einmal nach: „Wer ist denn auf diese Idee gekommen?“ Dabei ist der Gedanke nicht so abwegig. Der Sieger des America’s Cup darf im Jahr 2004 die Neuauflage ausrichten. Und genau das will Schümann schaffen. Momentan ist seine Alinghi in der Qualifikation bei den Buchmachern der Favorit. Siegt die Crew um Schümann tatsächlich, darf sie vom 15. Februar bis zum 1. März 2003 Titelverteidiger Neuseeland fordern. Siegt Schümann erneut, wäre plötzlich die Frage nach dem Austragungsort aktuell.

Dass ein Binnenland wie die Schweiz den Wettkampf der Hochseeyachten wohl nicht austragen kann, den Zusammenhang sieht Schümann zunächst gar nicht. Der Genfer See wäre kein geeignetes Revier. Mit dem Sieggedanken kann sich Schümann eher anfreunden. „Es gäbe dann in Europa bestimmt andere Reviere, die sich anbieten würden.“ Nach einer weiteren Pause ergänzt er: „Aber die Frage steht im Moment nicht, wir sind erst im Viertelfinale.“

Das ändert nichts an den Träumen der Eidgenossen. „Diese alte, eigentlich hässliche Silberkanne endlich mal nach Europa zu holen, das wäre was ganz Großes“, sagt Schümann. Vor zwei Jahren war er als Steuermann der „Be Happy“ schon einmal als Mitglied einer Schweizer Crew kläglich gescheitert. Damals musste er von zu Hause aus verfolgen, wie sich die Prada aus Italien als Herausforderer gegen Neuseeland nicht durchsetzen konnte. Jene Prada, die Schümann nunmehr wieder als gefährlich einstuft. „Die werden immer besser, deshalb haben wir sie uns für das Viertelfinale ausgesucht“, sagt Schümann. „Dann haben wir sie weg und können erst wieder im Finale auf sie treffen.“ Stärken und Schwächen sind im Prinzip bekannt.

Nur von Titelverteidiger Neuseeland wissen alle sehr wenig. „Wir liegen zwar in der Segelbasis Zaun an Zaun, aber das sagt nichts aus“, erzählt Schümann. Darin ähnelt der America’s Cup der Formel 1: geschlossene Boxen, mit Tüchern verhängte Hightech-Produkte und die latente Angst vor Spionage. Zwischen 24 und 95 Millionen Euro haben die neun Syndikate aus sechs Ländern schließlich für den Cupsieg investiert. Den Ideenklau soll das Reglement verhindern. Schon vor dem Start zur ersten Qualifikationsrunde wurde die OneWorld aus den USA mit einem Minuspunkt bestraft, weil deren Konstrukteure Designer-Informationen von vor zwei Jahren einem der damaligen Teams abgekauft und auch verwendet hatten. „Die Neuseeländer haben jetzt den Vorteil, dass sie uns im Wettkampf, in dem wir ja schon fast alles zeigen müssen, beobachten können“, erklärt Schümann. Bei der Regatta selbst ist alles möglich. Ansonsten steht in den Regeln: „Keine permanente Beobachtung, Mindestabstand zum Fotografieren 200 Meter und die Möglichkeit zum Training außer Sichtweite auf offener See, wo keine Beobachtung erlaubt ist.“ Jochen Schümann gibt aber zu, dass dennoch nicht alles geheim gehalten werden kann. „Mit der heutigen Fototechnik ist auch über 200 Meter einiges zu machen“, sagt er. „Unser Team hat auch das drauf.“

Im Teamwork sieht Schümann ohnehin einen Vorteil auf der Alinghi. „Wir sind die einzige Yacht, die bisher alle 32 Segler eingesetzt hat“, sagt er. Zu gern würde Schümann auch selbst das Steuer in die Hände nehmen, aber „Russell Coutts hat seine Aufgabe bisher super gelöst. Was aber nicht heißen soll, dass ich nicht auch mal Skipper sein könnte.“ Coutts hat mit Neuseeland bereits zweimal den America’s Cup gewonnen.

Mit dem erfahrenen Schümann hat die Alinghi in jeder Wettfahrt einen gleichwertigen Steuermann in der 16-köpfigen Besatzung. 17 sind möglich, aber „der Sitz für den Gast bleibt meist leer, weil er nicht zum Erfolg beiträgt“. Über einen Gast würde sich die Crew allerdings freuen. Am 12. Dezember kommt IOC-Präsident Jacques Rogge nach Auckland, den Jochen Schümann gut kennt. Mehr Anwärter gibt es noch nicht.

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