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Sport: Sport ist Sport

Stefan Hermanns über ein nicht ganz normales Hockeyspiel Dhanraj Pillay irrte etwas orientierungslos durch den Presseraum, und als man ihm einen Platz auf dem Podium anwies, ignorierte er diesen wohl gemeinten Rat und setzte sich lieber neben den eigenen Teamchef als neben den des Gegners. Pillay ist indischer Hockey-Nationalspieler, und auf der anderen Seite saß die Delegation Pakistans.

Stefan Hermanns über ein nicht ganz normales Hockeyspiel

Dhanraj Pillay irrte etwas orientierungslos durch den Presseraum, und als man ihm einen Platz auf dem Podium anwies, ignorierte er diesen wohl gemeinten Rat und setzte sich lieber neben den eigenen Teamchef als neben den des Gegners. Pillay ist indischer Hockey-Nationalspieler, und auf der anderen Seite saß die Delegation Pakistans. Indien und Pakistan – das ist eine heikle Kombination. Seit Ende des vergangenen Jahres hat sich der Grenzkonflikt der beiden Atommächte um die Provinz Kaschmir wieder verschärft. Dreimal seit 1947 haben beide Staaten in dieser Angelegenheit Krieg gegeneinander geführt. Unzählige Menschen sind dabei ums Leben gekommen.

Was das mit Sport zu tun hat? Nichts. Und eine ganze Menge. Am Mittwoch trafen die Nationalteams Indiens und Pakistans bei der Champions Trophy in Köln aufeinander, und die Begegnung war mehr als ein normales Hockeyspiel. Sie war ein ganz exzellentes Hockeyspiel, eines mit Tricks und Tempo, bei dem die Zuschauer vor Begeisterung von ihren Sitzen aufgesprungen sind. Von „magischem Hockey“ sprach Dhanraj Pillay anschließend. Was die Begegnung nicht war, war die Fortsetzung des Kaschmirkonfliktes mit sportlichen Mitteln.

Dass der Sport von der Politik vereinnahmt wird, ist nicht neu. Und auch wenn dies gelegentlich aus hehren Motiven geschieht, so sollte man sich in dieser Hinsicht keinen Illusionen hingeben. Wenn am Sonntag in Seoul zum ersten Mal seit zwölf Jahren die Fußball-Nationalmannschaften Nord- und Südkoreas zu einem Freundschaftsspiel aufeinander treffen, so ist das eine schöne Geste, vielleicht auch der Anfang von etwas, aber ob der Sport die Annäherung zwischen beiden Ländern wirklich entscheidend fördern wird, scheint fraglich.

Es hieße, den Sport zu überfordern, wenn man ihm die Aufgaben aufhalste, an denen die Politik gescheitert ist. Sport ist erst einmal Sport, und meistens sind es die Sportler, die dies am klarsten sehen. Inder und Pakistaner kamen am Mittwoch – als eindeutige Geste – nach ihrem Spiel gemeinsam zur Pressekonferenz, und darin war nicht von Politik, sondern vom Sport die Rede. Dhanraj Pillay sprach von einer alten Rivalität zwischen beiden Ländern – nicht von einer Feindschaft. „Wir dürfen gegen jeden verlieren, nur nicht gegen Pakistan“, sagte er. So ähnlich könnte ein deutscher Fußballer über die ganz spezielle Rivalität zu Holland reden.

Auch im Fußball hat es politisch brisante Begegnungen gegeben: 1974 die Partie zwischen der Bundesrepublik und der DDR oder 1998 das Aufeinandertreffen der vermeintlichen Todfeinde Iran und USA. „Wir haben keine Probleme mit den amerikanischen Menschen“, hat der iranische Stürmer Ali Daei damals gesagt, „nur mit der amerikanischen Regierung.“ Vor der Begegnung überreichten die Iraner ihren Gegnern Blumen, und beide Teams posierten für ein gemeinsames Foto. Im staatlichen iranischen Fernsehen war davon nichts zu sehen. Die Übertragung begann erst mit dem Anpfiff. Manchmal ist der Sport eben schon sehr viel weiter als die Politik.

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