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Sport: Sport ohne Grenzen

Der Umbruch ist längst nicht abgeschlossen – doch es gibt auch Gegentrends

Berlin - Ein mittelmäßig begabter belgischer Provinzfußballer hat den europäischen Fußball, ja den gesamten Profisport in Europa, am 15. Dezember 1995 für immer verändert. Aufgrund der Klage von Jean-Marc Bosman kippte der Europäische Gerichtshof nicht nur die Ablösesummen nach Vertragsende, sondern auch die Ausländerbeschränkungen in den nationalen Ligen mit dem Verweis auf freie Arbeitsplatzwahl. Der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern München, Karl- Heinz Rummenigge, spricht noch heute von der „größten Katastrophe“, die dem europäischen Sport je widerfahren sei.

Denn Bosman ebnete mit seinem Streben nach Selbstbestimmung auch den Weg für Skurrilitäten wie etwa den Kader des belgischen Erstligisten Beveren, der 18 Fußballer aus der Elfenbeinküste aufweist. In der Bundesliga stieg der Anteil ausländischer Kicker bis auf knapp 60 Prozent; erst seit zwei Jahren sinkt er wieder. Im April 2001 trat Cottbus gegen Wolfsburg ohne deutschen Spieler an. Die Schwäche der Nationalelf sei auch im Bosman-Urteil begründet, erklärte Bundestrainer Jürgen Klinsmann kürzlich. Zugleich trieb der Kampf um ablösefreie Spieler die Gehälter zumindest im Fußball in ungekannte Höhen und Traditionsvereine wie Borussia Dortmund, den VfB Stuttgart oder Hertha BSC an den Rand der Pleite. „Das Geld, das vorher die Vereine erwirtschaftet haben, bekommen jetzt die Spieler und ihre Vermittler“, sagt Werner Hackmann, der Präsident der Deutschen Fußball-Liga (DFL).

Auf Bosman, Version 2, ist der deutsche Fußball besser vorbereitet. Es wird erwartet, dass in Kürze auch die Limitierung für Nicht-EU-Ausländer fällt, deren Länder Partnerschaftsabkommen mit der EU abgeschlossen haben. Deshalb will die DFL ab der kommenden Saison alle Ausländerbeschränkungen aufheben. Als Ausgleich müssen künftig vier Spieler im Kader stehen, die in Deutschland ausgebildet wurden – davon zwei im betreffenden Klub. Die Zahl der so genannten Local Player soll bis 2008 auf 4 plus 4 steigen. Hackmann sieht „gute Chancen“, dass die Regelung eingeführt wird, und befürchtet „nicht, dass wir dadurch wesentlich mehr Ausländer bekommen“. Im Gegenteil werde die Nachwuchsarbeit gestärkt. Um einen globalen Talenthandel zu verhindern, schlägt er einen Kodex vor, „dass nicht zum Beispiel die Engländer bei uns oder wir in England den Talentmarkt abgrasen“.

Bosmans Einfluss endet aber nicht beim Fußball. In der Deutschen Eishockey- Liga (DEL) sank die Zahl der deutschen Spieler um die Jahrtausendwende auf unter ein Drittel. Die große Zahl vor allem kanadischer Spieler senkte zwar die Gehaltskosten der Vereine, schwächte aber das Nationalteam. Das wiederum führte zu einem starken Zuschauerrückgang in der Liga. Als erste große Liga beschloss die DEL deshalb die Einführung einer Quote für deutsche und eine freiwillige Beschränkung für ausländische Spieler. „Seitdem mehr Deutsche spielen, ist das Nationalteam besser geworden und das Interesse am Eishockey gestiegen“, sagt DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke.

Der Handball und der Basketball durchleben momentan das, was Tripcke rückblickend so bezeichnet: „Wir mussten Fehler machen, um daraus zu lernen.“ Die Basketball-Bundesliga beispielsweise hat vor dieser Saison alle Beschränkungen für Spieler aus Nicht-EU-Ländern aufgehoben. Weil deswegen selbst deutsche Nationalspieler keinen Verein mehr fanden, drohten sie vor der EM im September mit Streik. Handball-Bundestrainer Heiner Brand sieht für die WM 2007 im eigenen Land kaum Titelchancen, weil seinen Spieler in den Klubs mehr und mehr ausländische Stars vorgezogen werden.

Doch es gibt auch Gegentrends. Nach der „Goldgräberstimmung“ (Tripcke) der späten Neunziger greifen langsam die Mechanismen der Selbstregulierung. Im Handball wurde der TBV Lemgo aufgrund seiner konsequenten Transferpolitik als „TBV Deutschland“ bekannt. Im Fußball besannen sich von der Insolvenz bedrohte Klubs wie Hertha, Dortmund und Stuttgart auf die günstigere Ausbildung eigener Spieler. Und obwohl das junge Dortmunder Team weit von Erfolgen wie dem Champions-League-Sieg 1997 entfernt ist, „sind die Fans momentan sehr glücklich“, sagt Johannes Stender vom Bündnis aktiver Fußballfans. „Da wächst etwas zusammen, das mit den Multimillionären früher nicht ging.“

Christian Hönicke

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