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© dpa

Sportausrüster: Basis am Ball

In wessen Trikot spielt die Nationalmannschaft im kommenden Jahrzehnt? Am Freitag kann der DFB für Ausrüster Adidas votieren – oder den Fall an den Verbandstag weitergeben.

Gegen Anglizismen hatte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) früher etwas, und die Präsidiumsmitglieder mussten bei ihren Sitzungen dafür sogar in ein Phrasenschwein einzahlen. Das Geld können sie sich inzwischen sparen. Der deutsche Fußball und mit ihm die Verbandsspitze haben sich geöffnet. Die Türen hat vor allem Jürgen Klinsmann aufgestoßen, und hereinspaziert kam dabei auch Nike. Oliver Bierhoff, Manager der Nationalmannschaft und jahrelanger Repräsentant des US-Sportartikelherstellers, übergab DFB-Präsident Theo Zwanziger höchstselbst eine einmalige Offerte. Eine halbe Milliarde Euro wollte Nike für einen Ausrüstervertrag mit dem DFB für die Jahre 2011 bis 2018 zahlen – mehr als das Sechsfache von dem, was der bisherige Partner Adidas überweist.

Am kommenden Freitag könnte in der DFB-Präsidiumssitzung in Frankfurt am Main nun eine Entscheidung fallen, in wessen Trikots die Nationalmannschaft im kommenden Jahrzehnt spielen wird. Wie aus Verbandskreisen zu erfahren ist, plant der DFB seine Partnerschaft unter neuen Bedingungen sogar bis 2018 fortzusetzen. Nike ginge leer aus. Allerdings gibt es nach Tagesspiegel-Informationen noch einen neuen Weg: Das Präsidium könnte die Entscheidung an den DFB-Bundestag im Oktober weitergeben.

Der Kampf um einen Ausrüstervertrag mit dem weltgrößten Fußballverband hatte sich in den vergangenen Monaten von der ökonomischen auf die juristische Seite verlagert. Ausgangspunkt war ein Schuhstreit der Nationalspieler, der im Sommer 2006, gleich nach der Weltmeisterschaft, eskalierte. Spieler wie Jens Lehmann, Miroslav Klose oder Christoph Metzelder weigerten sich, in Schuhen des DFB-Ausrüsters Adidas zu spielen. Sie verlangten eine freie Schuhwahl, wie sie überall auf der Welt (bis auf Österreich) gelte. Die Spieler drohten mit Boykott. Schließlich stimmte Adidas der freien Schuhwahl zu, im Gegensatz akzeptierte der DFB eine Vertragsverlängerung mit Adidas um drei Jahre bis 2014.

Was folgte, war eine monatelange Auseinandersetzung darüber, ob der DFB seinen Vertrag über den 31. Dezember 2010 hinaus mit Adidas bis 2014 rechtswirksam verlängert hat oder nicht. Der Verband bestritt dies, sprach nur von einer Absicht, der Sportartikelhersteller aus Herzogenaurach behauptete das Gegenteil. Nachdem ein Schiedsgericht am vergangenen Donnerstag den beiden streitenden Parteien zu einer Vergleichslösung geraten hatte, geht es jetzt vordergründig nicht mehr um Adidas oder Nike, sondern um die Frage: Wiekann es weitergehen mit dem langjährigen Partner? Das Schiedsgericht kam schließlich zu keiner eindeutigen Entscheidung.

Adidas kann sich nicht auf einen rechtswirksamen Vertrag bis 2014 berufen, der DFB wiederum nicht behaupten, dass er ab dem 1. Januar 2011 ungebunden wäre. Deshalb richtete das Schiedsgericht an beide die Empfehlung, sich zu einigen. Der ausführliche Bericht liegt den Parteien vor. Die Zahlen, die Anfang der Woche verbreitet wurden, wonach Adidas von sofort an jährlich 20 Millionen Euro statt wie bisher 11 Millionen Euro überweisen, und ab 2011 an pro Jahr 25 Millionen Euro zahlen werde, sind zu hoch gegriffen, heißt es in DFB-Kreisen. Adidas will sein Angebot nicht kommentieren. Bis zur Präsidiumssitzung rechnen Experten des DFB hoch, welcher Summe die vereinbarten Zusatzleistungen eines neuen Vertrages entsprechen. Es geht um Projekte, die Adidas ein stärkeres Engagement abverlangen, aber als reine Geldleistung nicht in die Nähe des Nike-Angebots kommen. Dem DFB geht es dabei vor allem um Hilfe des Partners im Nachwuchsfußball und der Basisarbeit.

Die Fronten zwischen DFB und Adidas sind längst aufgeweicht. Noch im Februar schien der Weg für Nike frei. „Ich muss in die Zukunft schauen“, sagte Zwanziger damals dem Tagesspiegel. Wenn es durch Nike möglich sei, 1000 Bolzplätze im Jahr zu bauen , „fällt mir ein Wechsel leichter“. Die 50-jährige Partnerschaft mit dem Unternehmen aus Herzogenaurach sei eine ganz besondere, sagte der DFB-Präsident, aber „Tradition kann nicht bedeuten, dass ich auf mehrere hundert Millionen Euro zu Lasten des Verbandes verzichte.“

Seit Jahrzehnten bestehen engste Bindungen zwischen Adidas und der Verbandszentrale in Frankfurt, aber gerade die Landesverbände signalisierten Zwanziger, dass sie bereit zu einem Wechsel sind. Ihre Beschwerde: Von der Tradition mit Adidas hätten sie in den letzten zwanzig Jahren wenig gespürt. Diese Schwachstelle hatte Nike erkannt und wollte das Angebot explizit als Offensive in der Jugendförderung und Integration verstanden wissen. Genau da knüpft nun auch das Schiedsgericht in seinem Empfehlungsschreiben an und regt an, sich auf Projekte zu verständigen, die auf die Basis und in die Fläche zielen. Das alles wird jetzt hochgerechnet. Am Ende wird wohl ein Wert herauskommen, der immer noch deutlich unter dem Nike-Angebot liegt.

Für eine Entscheidung gibt es zwei Szenarien. Sollte die Differenz zum Nike-Angebot nur gering sein, wird das DFB-Präsidium den Vergleich vorantreiben. Ist sie aber größer, wird das Präsidium den Fall dem DFB-Bundestag Ende Oktober überlassen. Dann entscheidet die Basis.

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