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Sportbuch: FC Euro gegen FC Dollar

Für angehende Sportreporter konnte es in der DDR nur ein Vorbild geben: Heinz Florian Oertel. Seine Reisen kannten keine Grenzen, seine Sprache erst recht nicht. Wie Oertel heute die Welt sieht

Legendär, wie er mit über die Zunge rollenden Buchstaben einst Katarina Witt zum olympischen Eiskunstlauf-Gold begleitete: „Jawohl, Katarina, du bist über diese Klippe hinweg. Ganz hervorragend gemacht. Da fällt auch mir ein halbes Gebirge hinunter. Hello Darling!“

Nach dem Umbruch macht sich Oertel, inzwischen weit über 80, noch mit Erinnerungsbüchern bemerkbar, die er auf Veranstaltungen zwischen Sonneberg und Saßnitz zur Diskussion stellt. Die ostdeutsche Lokalpresse ist begeistert, wenn der frühere SED-Genosse im sächsischen Döbeln verkündet: „Eine Generalüberholung meines Lebens gibt es nicht.“ In die alte Bundesrepublik wird Oertel selten eingeladen, aber regelmäßig taucht er in den Bestsellerlisten auf. Er spricht eben für viele ältere Ostdeutsche, die sonst meinen, keine Sprache mehr zu finden und keine Zuhörer.

„Pfui Teufel“, heißt Oertels neuestes Werk, in dem es in Meinungsbeiträgen um „Verdrängtes und Vergessenes“ gehen soll. Das liest sich so: „Wir melden uns wieder vom Match FC Euro gegen den schon mehrfachen Weltmeister FC Dollar, der allerdings zurzeit nicht allzu viel auf dem Kasten hat ... Da, jetzt stürmt Paule Portmonee wieder los – bisher saß der nur auf der Bank. Ach so, Bank, Bank – darf man denn das Wort überhaupt noch benutzen?“

Manches in Oertels Buch ist interessant – etwa, wenn er aus seinem Leben in vier Geschichtsepochen erzählt. In der Weimarzeit geboren, musste Oertel als Schüler für die Nazis den Ostwall schippen, der sowjetische Panzer aufhalten sollte. Er geriet in englische Gefangenschaft; nach dem Krieg wollte er Schauspieler werden, kannte den „Faust“ auswendig. Dann kam die DDR mit allem Schlechten und Guten – und allem Guten und Schlechten. Aber auf der Höhe seiner Zeit, schlagartig, ging Oertels halbe Welt unter und eine große Reporterkarriere zu Ende. Auf Oertels Zunge liegt heute nicht nur zarte Bitterkeit. Robert Ide

Heinz Florian Oertel: Pfui Teufel. Verlag Neues Berlin. 139 Seiten, 9,90 Euro.

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