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Sport: Springen gegen die Norm

Selbst Top-Leichtathleten scheitern in der WM-Qualifikation

Berlin. Bianca Kappler ist nicht wirklich bekannt. Sie war 2003 deutsche Hallen-Meisterin im Weitsprung, aber wer weiß das schon? Andererseits – sie ist 2003 die achtbeste Weitspringerin in der Welt. 6,69 m sprang sie vor kurzem. Wahrscheinlich wird sie am Wochenende in Ulm auch deutsche Freiluft-Meisterin. Heike Drechsler, die zweimalige Olympiasiegerin, fehlt verletzt. Aber zur Weltmeisterschaft nach Paris Ende August wird Kappler kaum fahren dürfen. Sie müsste schon 6,75 m springen, um sich zu qualifizieren, persönliche Bestleistung. 6,75 m ist die A-Norm für die WM-Qualifikation. Der Welt-Leichtathletik-Verband hat sie festgesetzt. „Die Normen sind irre hoch. Die sind in den technischen Disziplinen so ausgelegt, dass möglichst in der Welt nur zwölf Athletinnen diese Leistung erreichen können“, sagt Kappler.

Reizwort Normen. „Die Normen sind stark überhöht“, sagt auch Bernd Schubert, der Cheftrainer der deutschen Leichtathleten. Diese Normen machen die Deutschen Meisterschaften zum Härtetest. Bisher haben nur 57 deutsche Athleten die WM-Qualifikation geschafft, zur WM 2001 fuhren 71 Athleten. Sollte sich der Kreis der WM-Starter nicht erhöhen, wäre das ein Stück weit fatal für den deutschen Verband. Im Kampf um TV-Sendeminuten und Sponsoren benötigt er dringend starke Auftritte beim Saisonhöhepunkt, der WM.

Wochenlang sind auch Stars wie 400-m-Europameister Ingo Schultz der A-Norm hinterher gelaufen. Beim Dreisprung verlangt der Weltverband 17,10 m. Nur elf Athleten weltweit haben diese Weite bislang übertroffen. Der beste Deutsche in diesem Jahr ist Charles Friedeck – mit 16,53 m. Friedeck war 1999 Weltmeister. Bei den Männern hat bis jetzt in neun Disziplinen nur je ein Athlet die A-Norm geschafft, im Hochsprung, über 100 m, über 5000 m und im Dreisprung gar keiner. Bei den Frauen gibt es in drei Disziplinen derzeit keine WM-Starterin (200 m, 1500 m, Dreisprung), in elf Disziplinen jeweils nur eine.

Um nicht eine WM mit Minifeldern durchführen zu müssen, hat die IAAF noch die weichere B-Norm festgelegt. Die haben allein über 3000 m Hindernis fünf deutsche Athleten erfüllt. Auch Bianca Kappler hat mit ihren 6,69 m diese Hürde genommen. Die IAAF lässt pro Disziplin aber nur einen Athleten mit erfüllter B-Norm bei der WM starten – sofern in dieser Disziplin keiner die A-Norm geschafft hat. Heike Drechsler will unbedingt zur WM. Sie muss also nur bis zum 3. August 6,75 m springen. Eine gesunde Drechsler dürfte das problemlos schaffen. Und Bianca Kappler könnte ihr dann bei der WM zuschauen. Am Fernseher.

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