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Johannes Floors, 26, reist als aktueller Weltrekordhalter über 100, 200 und 400 Meter Sprint zu den Paralympics.

© imago images / Mika Volkmann

Sprinter Johannes Floors über die Paralympics: „Weltrekord läuft man nicht jeden Tag“

Für Johannes Floors gehen die Paralympics los. Der Sprinter über die eigenen Bestzeiten, das Gefühl zu gewinnen und die Bedeutung der Spiele.

Herr Floors, Sie trainieren seit Jahren beim TSV Bayer 04 Leverkusen. Warum ist das genau der richtige Verein, um Weltrekorde aufstellen zu können?

Das Tolle an Leverkusen ist, dass da mittlerweile richtig viel Know-How herrscht. Als ich 2013 mit der Leichtathletik angefangen habe, waren vor mir schon Leute wie David Behre, Markus Rehm und Heinrich Popow da. Es hat sich so entwickelt, dass in Leverkusen der Prothesensport vorangetrieben wurde. Durch den Geschäftsführer Jörg Frischmann und durch Trainer, die wussten, wie man mit Prothesenträgern trainiert und keine Angst davor hatten. Das hat sich durch meine Generation nochmal verstärkt. Mittlerweile kommt man als Prothesenträger eigentlich nicht mehr an Leverkusen vorbei.

Wie sind die Bedingungen vor Ort?

Die Bedingungen sind super. Schon damals gab es durch Bayer die Leichtathletikhalle und den Leichtathletikplatz. Da wurden viele Grundlagen gelegt, von denen wir jetzt profitieren. Wenn es regnet und kalt ist, dann gehen wir in die Halle. Das können viele andere nicht, die müssen trotzdem draußen weiterlaufen. Wir haben kurze Wege zu Krafträumen, zur Physio … Und was noch dazu kommt: Wir halten in unserer Abteilung schon sehr zusammen. Das macht das Erbringen von Leistung noch ein bisschen leichter.

Auf dem Instagramkanal Ihrer Sprint-Kollegin Irmgard Bensusan war neulich zu sehen, dass sie ab und an Ihre Prothesen versteckt…

(Lacht) Ja, natürlich foppen wir uns mal, wir verstehen uns alle sehr, sehr gut. Dass man sich gegenseitig Sachen versteckt, das kommt einfach mal vor. Unregelmäßig, sag ich mal.

Was haben Sie sich für die Spiele in Tokio vorgenommen?

Natürlich wünscht man sich, die eigene Bestleistung zu schlagen. Aber wichtig ist vor allem die Platzierung – schneller zu sein als die anderen.

Sie starten als Weltrekordhalter an. Wie gehen Sie mit dieser Rolle um?

Ich bin mir dessen schon bewusst. Aber ich beschäftige mich nicht sehr lange damit. Natürlich ist das eine andere Rolle, wenn man vom Jäger zum Gejagten wird. Aber ich lasse den Druck nicht zu sehr an mich heran. Wichtig ist, weiter in das Umfeld und vor allem in den eigenen Körper zu vertrauen. Dass man weiß: Man ist fit und kann die Leistung bringen.

Wo sehen Sie Ihre Vorteile beim Laufen gegenüber Ihren Konkurrenten?

Puh. Ich kann natürlich auch nicht einschätzen, was meine Konkurrenz in den letzten fünf Jahren getrieben hat. Aber ich weiß von mir, dass ich hart trainiert habe. Wir haben Läufe analysiert, wir haben gesehen, wo es noch hapert, was man noch verstärken muss. In Tokio wird sich zeigen, ob ich das so umsetzen kann.

Woran hat es gehapert?

Man hat ganz klar gesehen, über die 400 Meter bei der WM in Dubai zum Beispiel, dass auf den letzten 100 Metern noch viel Potenzial steckt. Deswegen haben wir im Training den Fokus darauf gelegt. Das passiert dann zum Beispiel durch Überdistanzläufe.

Was ist das generell für ein Gefühl, wenn Sie durchs Ziel laufen und wissen: Sie waren der Schnellste?

Zu gewinnen ist jedes Mal was ganz Besonderes. Wenn das dann der Saisonhöhepunkt ist, dann ist das ein total emotionaler Moment, und der lässt sich häufig auch gar nicht steuern. Alles, was sich aufgestaut hat, will dann raus. Mit der Staffel haben wir ein super schönes Jubelfoto, auch im Einzel gibt es ein paar schöne Fotos von mir, die die Emotionen zeigen. Wenn das dann der letzte Wettkampf ist, fällt auch enorm viel Druck ab, weil man weiß: Die ganze Anstrengung für diesen Wettkampf und der Fokus, das war’s wert.

Wie motivieren Sie sich zwischen den Wettkämpfen jeden Tag aufs Neue?

Ich habe verschiedene Faktoren, die mich motivieren. Zum Einen: Natürlich will man seine eigenen Leistungen verbessern, sich selber schlagen und zum Saisonhöhepunkt fit sein. Was bei mir noch dazu kommt: Ich bin einfach froh darüber, richtig schnell laufen zu können, und es macht mir nach wie vor Spaß. Ich habe das schon ein paar Mal gesagt: 16 Jahre lang konnte ich einfach gar nicht laufen. Ich bin super dankbar dafür, dass ich das jetzt kann. Das spornt mich jeden Tag an.

Gibt es trotzdem Tage, an denen gar nichts so klappt, wie Sie sich das vorstellen?

Solche Tage gibt es, das ist ganz normal. glaube ich. Es tun einem auch mal die Knochen weh oder man hat schlecht geschlafen und muss trotzdem zum Training. Dann lohnt sich der Blick aufs Ganze: Wofür tut man das, welche Ziele gibt es? Das bringt einen schon dazu, aufzustehen und sein Programm abzuspulen.

Sie haben über all Ihre Strecken – 100 Meter, 200 Meter, 400 Meter – Bestzeiten aufgestellt. Wie oft laufen Sie solche Zeiten im Training?

Die Zeiten im Training sind handgestoppt. Von daher kann man die eigentlich nicht mit Wettkampfzeiten vergleichen – da wird ab dem Startschuss gemessen, es kommt die Reaktionszeit und der Blockstart dazu. Wir haben aber natürlich unsere Trainingswerte, und da zeigt sich, ob man Verbesserungen hinlegt. Aber einen Weltrekord läuft man nicht jeden Tag. Da gehört schon viel dazu. Das muss vom Kopf her stimmen, vom Umfeld, vielleicht auch ein bisschen das Wetter.

Herr Floors, was bedeutet es für Sie, dass die Paralympics nach fünf Jahren Vorbereitung jetzt endlich stattfinden?

Ich habe mich da schon die ganze Zeit drauf gefreut, weil es für mich jetzt auch die Spiele sind, wo ich vorne mit dabei bin – und ich das erste Mal 400 Meter laufe. Generell ist es ein Event, das für den Para-Sport enorm wichtig ist. Dadurch generieren wir Aufmerksamkeit und haben viel mehr TV-Zeiten. Und das ist natürlich wichtig, weil man so erst in den Aufnahmebereich der gesamten Bevölkerung kommt. Wir haben alle eine Vorbildfunktion, wollen Nachwuchs generieren und die Leute zum Sport bringen. Und das geht einfach nur, wenn man den Para-Sport kennt.

Dieser Text ist Teil der diesjährigen Paralympics Zeitung. Alle Texte unserer Digitalen Serie finden Sie hier,

Mona Alker

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