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Sport: Sprinter mit schmalen Schultern

Stefan Schwab wird bei der deutschen Meisterschaft über 100 Meter nur Vierter

Ein Aufschrei durchzog das Ulmer Donaustadion. Tausende brüllten, weil vor der Haupttribüne gerade einer der bisher überraschendsten Sieger der deutschen Leichtathletikmeisterschaft durchs Ziel gerannt war. Tobias Unger vom LAZ Salamander Kornwestheim hatte den 100-Meter-Lauf gewonnen, in exzellenten 10,18 Sekunden. „Unglaublich“, sagte er schwer atmend. Denn Unger war bis vor kurzem noch an der Patellasehne verletzt, er war klar von der WM-Norm entfernt. Jetzt hat er sie unterboten. Der große Verlierer war die bisherige Nummer eins im deutschen Sprint im Jahr 2009. Stefan Schwab vom TSV Schwarzenbek wurde nur Vierter mit enttäuschenden 10,29 Sekunden. Dabei war er als klarer Favorit ins Rennen gegangen.

Stefan Schwab hat keine muskulösen Oberarme wie die US-Sprinter oder der Brite Dwain Chambers. Beim Meeting in Regensburg war er in einer Stunde 10,19 und 10,20 Sekunden gesprintet; die WM-Norm (10,21) hatte er damit frühzeitig zweimal unterboten. Das ist für die Weltspitze unbedeutend, aber das ist der Rahmen, den Stefan Schwab für sich als vollkommen ausreichend betrachtet. „Ich laufe lieber schlechtere Zeiten, als dass ich mich zu so einem Muskelprotz entwickle“, sagt Schwab. Sein Vater Hans-Jürgen, früher ein Sprinter und jetzt Trainer seines Sohns, erinnert sich noch, was der 21-Jährige erzählte, als er beim Istaf neben Muskelprotzen lief. „Das fand er ganz schlimm.“ Vor allem dass der Dopingsünder Chambers nach seiner Sperre wieder läuft, das empfinde sein Sohn als fürchterlich. Als Usain Bolt im olympischen Endlauf von Peking die 100 Meter fast aufreizend lässig in der Weltrekordzeit von 9,69 Sekunden lief, saß Stefan Schwab vor dem Fernseher und winkte bloß ab. Natürlich würde er gerne mal gegen Bolt laufen. „Das wäre eine Herausforderung“, sagt er. „Mal zu sehen, wie man so neben dem ist.“ Aber gleichzeitig nur um auch zu wissen, dass er nicht sein wolle wie der Jamaikaner.

Für den deutschen Cheftrainer Jürgen Mallow ist Schwab ein Glücksfall. Der 21-Jährige liefert ihm bereitwillig die Argumente, die er braucht, um die allgemeinen Erwartungen zu dämpfen. „Ich könnte es nicht verantworten, einem Athleten zu sagen, er solle so trainieren wie Bolt“, sagt Mallow. Es ist der Versuch, auch im Bewusstsein von Fans und Medien zu verankern, dass er zwei Welten im Sprint gibt. Die der großen Stars und die der Mitläufer. Ob man ethisch sauber von der einen in die andere kommen kann, ist die große Frage. Es gibt viele Experten, die daran zweifeln, ob Zeiten unter zehn Sekunden ohne Doping möglich sind. Schwab arbeitet daran, sein Potenzial voll auszuschöpfen. Der Sprinter kann aber nur einmal am Tag trainieren, er arbeitet 41 Stunden pro Woche bei der Zulassungsstelle des Landkreises Herzogtum Lauenburg. Etwas mehr Krafttraining, etwas mehr Techniktraining, sagt Vater Schwab, „das würde schon helfen“.

Auch die üblichen Psychotricks vor dem Start macht Stefan Schwab nicht mit. „Der Stefan bleibt da ganz ruhig sitzen“, sagt Hans-Jürgen Schwab. Die Gefahr, dass sein Sohn bei der WM vor dem Finale mit diesen Tricks belästigt wird, die ist sowieso gering. „Dass ich ins WM-Finale komme ist doch sehr unwahrscheinlich“, sagt Stefan Schwab. Sein großes Ziel ist das Halbfinale. In Tobias Unger hat er seit gestern einen unerwarteten deutschen Konkurrenten bei diesem Unterfangen.

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