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Sport: Sprünge für die Seele

Trainer Rohwein sieht Skispringer nach WM-Silber auf dem richtigen Weg

Als Peter Rohwein auf dem Podium der Eissporthalle in Oberstdorf saß, erhielt der Bundestrainer im Skispringen noch einige Minuten Zeit, über das Ereignis nachzudenken, das ihm soeben widerfahren war. In diesen Minuten wurde er von Melancholie ergriffen. Als dann das Mikrofon vor Rohwein angeschaltet wurde und er reden musste, brachen die Gefühle aus ihm heraus. „Es gibt in Deutschland viele schlaue Leute“, sagte er, „es gibt viel Kritik, das ist mir in den letzten Wochen an die Nieren gegangen, aber für heute hat es sich gelohnt.“ Dann schob er das Mikrofon fort und wischte sich die Tränen aus den Augen.

Wenn der sonst so nüchterne Bundestrainer leise weint, zeigt sich, was die Silbermedaille mit der Mannschaft bei den Nordischen Skiweltmeisterschaften in Oberstdorf bedeutet – sie ist eine große Befreiung. Für Peter Rohwein, der seinen ersten Erfolg als Bundestrainer feiert. Für Martin Schmitt, dessen Selbstbewusstsein wieder steigt. Für Georg Späth, der seinen Heimatort glücklich gemacht hat. Und für die gesamte Sportart, die seit zwei Jahren in Deutschland einen Abschwung erlebt – aus großer Höhe.

Die größte Erleichterung zeigte Rohwein. Der 42-Jährige hat die Mannschaft erst im Oktober von Wolfgang Steiert übernommen, den der Deutsche Skiverband überraschend entlassen hatte. Das aktuelle Jahrbuch des Skiverbandes führt Rohwein immer noch als Kotrainer. Doch Steiert hatte im Sommer einige trainingsmethodische Fehler begangen, der Verband warf ihm chaotisches Management vor. Zudem sprangen die deutschen Springer nur noch hinterher. „Der Sommer ist Vergangenheit“, sagt Rohwein nun. Kritik an seinem Vorgänger liegt ihm nicht. Doch nun ist er für Ergebnisse einer Mannschaft verantwortlich, die er nicht auf die Saison vorbereitet hatte. Das änderte sich erst ein wenig nach der Vierschanzentournee, als Rohwein die Gelegenheit nutzte, gezielt für die Weltmeisterschaft zu trainieren. „Ich musste es rüberbringen, dass sie an die Medaille glauben.“

Zuletzt musste sich Rohwein sogar das Gerücht gefallen lassen, dass der Deutsche Skiverband mit dem norwegischen Erfolgstrainer Mika Kojonkoski verhandelt habe. Der Verband dementiert zwar, doch Peter Rohwein sagt: „Solche Dinge nehmen einen schon mit.“ Er bedankte sich nach dem Erfolg ausdrücklich bei seinen vier Springern. Die erste WM-Medaille seit 2001 stärkt seine Position.

Bei Martin Schmitt wirkte sich Rohweins Arbeit besonders positiv aus. Im Sommer hatte ihm Steierts intensives Krafttraining mehr geschadet als genutzt. Danach qualifizierte sich der Weltmeister und Olympiasieger im Weltcup oft nicht einmal mehr für den zweiten Durchgang. Im Januar aber trainierte Schmitt intensiv im Schwarzwald, machte gezielt Übungen, die das Training in Kraft und Schnelligkeit umsetzen, und siehe da: Bei der Leistungsdiagnostik unlängst an Universität Freiburg wies Schmitt plötzlich die besten Sprungkraftwerte seiner Karriere auf. Beim Mannschaftsspringen lieferte der 27-Jährige nun einen bedeutenden Beitrag zum Gewinn der Silbermedaille.

Die Sprünge von Michael Neumayer, Michael Uhrmann, Martin Schmitt und Georg Späth sahen am Sonntagnachmittag in der ARD rund 6,6 Millionen Zuschauer. Ein guter Wert für diese Sportart. Allerdings blieben im Stadion an der Schattenbergschanze rund 10 000 Plätze frei. „Das Zuschauerinteresse hängt immer mit den Erfolgen der eigenen Mannschaft zusammen“, sagte Rudi Höller, Generalsekretär des Oberstdorfer Organisationskomitees. Nun hofft der Oberstdorfer Bürgermeister Thomas Müller auf ein ausverkauftes Stadion beim abschließenden Springen auf der Großschanze. Was so eine Silbermedaille alles leisten kann.

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