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Stabhochspringerinnen: Bei der WM ist der Unfall von Kira Grünberg kein Thema

Vor dem Stabhochsprung-Finale bei der WM in Peking versuchen die meisten Athletinnen den Unfall ihrer Kollegin Kira Grünberg verdrängen - irgendwie.

Lisa Ryzih hört die Frage – und ist schon so gut wie weg. Ein Reporter will von der deutschen Leichtathletin wissen, ob sie der Unfall der österreichischen Stabhochspringerin Kira Grünberg noch beschäftige. Grünberg war im Juli beim Training verunglückt und ist seitdem vom Hals abwärts gelähmt. Ryzih presst ein knappes „Dazu sag’ ich nichts“ hervor, ihr Gesichtsausdruck macht klar, dass weitere Fragen zum Thema keinen Sinn haben. Und dass sie das Schicksal ihrer Kollegin anscheinend sehr wohl noch beschäftigt.

Wenn Lisa Ryzih und die anderen WM-Finalistinnen am Mittwoch um 13 Uhr springen, werden sie den Unfall von Kira Grünberg ausblenden. Das müssen sie wohl auch, um eine Chance im Kampf um die Medaillen zu haben. Stabhochsprung erfordert genauso viel Selbstüberwindung wie Technik, Konzentration und Kraft, der Gedanke an einen Sturz mit allen seinen Folgen darf da keinen Platz haben. „Man muss Profi genug sein, um das wegzuschieben bei so einem Wettkampf“, sagt Martina Strutz, die zweite deutsche Starterin im Finale. „Es war ein tragischer Unfall, schlimm für unsere Sportart und unsere Disziplin. Aber wir müssen nach vorn schauen – und das hätte Kira auch gewollt.“ Laut der 33-Jährigen sei unter den Kolleginnen nicht über den Unfall gesprochen worden. „Es gibt einige, die wollen da nicht drüber sprechen, andere sind da aufgeschlossener“, sagt Strutz. Ihr persönlich sei die Tragödie in der Qualifikation auch nicht durch den Kopf gegangen. „Aber ich wünsche Kira nur das Beste. Dass sie vielleicht noch ein bisschen Mut hat und kämpft“, sagt Strutz.

Kira Grünberg verletzte sich am 30. Juli schwer

Die 21 Jahre alte Grünberg war am 30. Juli bei einem Trainingssprung über eine geringe Höhe mit nur acht Schritten Anlauf – im Wettkampf normal sind 16 Schritte – verunglückt. Ihr Stab richtete sich nicht komplett auf, die österreichische Rekordhalterin landete zwar mit dem Rücken auf der Matte, schlug aber mit dem Nacken auf die Kante des Einstichkastens auf. Sie brach sich den fünften Halswirbel, die Verletzung hatte eine komplette Lähmung vom Hals abwärts zur Folge.

Bis eine Reporterin der österreichischen Nachrichtenagentur APA Martina Strutz am Montag über den Unfallhergang aufklärte, wusste die Deutsche nicht einmal, was Grünberg genau passiert war. Besorgt ist die Vizeweltmeisterin von 2011 aber nicht. „Wir springen alle lange genug und haben viel Erfahrung. Man müsste eigentlich merken, ob man den Stab durchbringt auf die Matte“, sagt Strutz. „Und dann ist jeder Sportler in der Lage, so einen Sprung abzubrechen.“

Nach der Tragödie war eine Debatte über die Sicherheit im Stabhochsprung entbrannt. Der ehemalige Bundestrainer Herbert Czingon, der auch schon Grünberg betreut hatte, sprach davon, dass es im Stabhochsprung „leider keine hundertprozentige Sicherheit“ geben könne: „Das ist ein Sport, zu dem eine Risikokomponente gehört.“ Der frühere US-Weltklassespringer Toby Stevenson – Silbermedaillengewinner bei Olympia 2004 in Athen – war diesem Risiko als einziger prominenter Stabhochspringer mit einem Helm begegnet. Seine Eltern hatten ihn zu Beginn seiner Karriere dazu überredet. Allerdings hätte wohl auch ein Helm Kira Grünberg nicht vor der Verletzung bewahrt.

Am 4. September wird es in Innsbruck ein Benefizspringen zu Gunsten von Kira Grünberg geben. „Ob die Athleten jetzt noch persönlich etwas machen, wird man später sehen, vielleicht nach der Saison, wenn die WM vorbei ist“, sagt Martina Strutz. „Vorher hat niemand den Kopf dafür.“

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