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Stadion ohne Sport: Wie das Vogelnest nach den Spielen genutzt wird

Ein Jahr nach den Olympischen Spielen von Peking hat die Stadt ein neues touristisches Zentrum. Das Olympiagelände mit seinen Schnellrestaurants und Merchandising-Ständen hat zumindest an manchen Tagen bei den chinesischen Touristen die Verbotene Stadt als Attraktion Nummer eins in der chinesischen Hauptstadt abgelöst.

Berlin - Das Leben ist härter geworden für Liu Qiuju. Die 38 Jahre alte Wanderarbeiterin aus der Provinz Heilongjiang steht auf dem Olympiagelände im Norden Pekings und verkauft illegal Souvenirs. Umgerechnet einen Euro will sie für ein beleuchtetes Miniatur-Olympiastadion kassieren, im offiziellen Shop kostet es das Siebenfache. Bis vor kurzem verdiente Liu Quiju für ihre Verhältnisse viel Geld mit dem Olympia-Tand. „Ich bin jeden Tag um 9.30 Uhr gekommen und bis 15 Uhr war mein Koffer leer verkauft“, sagt Liu Qiuju der „South China Morning Post“, „kaum zu glauben.“ Doch in letzter Zeit kontrolliert die Polizei vermehrt die illegalen Souvenierverkäufer, vor allem aber macht ihr die Konkurrenz zu schaffen. Mehr und mehr Verkäufer wittern rund um das Vogelnest das große Geschäft.

Ein Jahr nach den Olympischen Spielen von Peking hat die Stadt ein neues touristisches Zentrum. Das Olympiagelände mit seinen Schnellrestaurants und Merchandising-Ständen hat zumindest an manchen Tagen bei den chinesischen Touristen die Verbotene Stadt als Attraktion Nummer eins in der chinesischen Hauptstadt abgelöst. „Die Flut an Touristen hat uns überrascht, weshalb wir unseren Nachnutzungsplan mehr auf Tourismus abgeändert haben“, sagt Zhang Hengli, stellvertretender Manager des Olympiageländes, gegenüber der Zeitung „China Daily“. Ursprünglich sollte der Pekinger Fußballklub Guoan FC in dem Stadion spielen, doch dieses Vorhaben wurde schon vor den Spielen wieder verworfen.

Zu schlecht, zu skandalumwittert ist die chinesische Super League im Fußball. Seit den Paralympischen Spielen hat deshalb keine sportliche Veranstaltung im Vogelnest-Stadion stattgefunden, lediglich zwei Konzerte von Jackie Chan hat es gegeben. Heute, zum ersten Jahrestag der Eröffnungsfeier, wird erstmals wieder Sport geboten im Niao Chao, dem Vogelnest: Inter Mailand tritt gegen Lazio Rom an, es geht um den Supercup im italienischen Fußball.

Die Zukunft des olympischen Geländes aber liegt im Tourismus. „Die Unterhaltskosten für das Vogelnest liegen bei rund sieben Millionen Euro und die finanziellen Zurückzahlungen bei acht bis neun Millionen, das wird durch die gegenwärtigen Einnahmen abgedeckt“, sagt Zhang Hengli. Zurzeit zahlen die Touristen jeweils umgerechnet fünf Euro Eintritt für das Vogelnest und das olympische Schwimmstadion, im Volksmund „Wasserwürfel“ genannt. Wer noch rund zwei Euro drauflegt, kann auf jener Strecke schwimmen, auf der vor einem Jahr Michael Phelps acht Goldmedaillen gesammelt hat.

Doch die Zeiten sind vorbei, in denen wie Anfang Oktober 50 000 Zuschauer pro Tag ins Vogelneststadion strömten. Die Zahlen nehmen ab, je länger die Olympischen Spiele in Peking zurückliegen. „Um den gegenwärtigen Strom an Menschen zu behalten, müssen wir mehr Inhalte schaffen“, sagt Zhang Hengli. Anfang Oktober wird der Regisseur Zhang Yimou, der die Olympia-Eröffnungsfeier inszeniert hatte, die Oper Turandot aufführen. Michael Schumacher wird im November im Vogelnest fahren, beim Showrennen „Race of Champions“. Künftig sollen abends regelmäßig Shows stattfinden, die sich an der Olympia-Eröffnungsfeier orientieren.

Heute am Jahrestag werden noch einmal besonders viele Menschen im Vogelneststadion erwartet. Denn der Eintritt ist ausnahmsweise frei. Souvenierverkäuferin Liu Qiuju sollte besser noch ein paar mehr leuchtende Miniatur-Olympiastadien einpacken.

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