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Sport: Stärke gegen Stars

China und die USA haben die Spiele dominiert – die eine Nation mit Härte, die andere mit Show

Für seine Goldmedaille hat Meng Guanliang eine große Entbehrung auf sich genommen. Vor 14 Monaten wurde er Vater, doch sein Kind hat er noch nie gesehen. Der Weg sei zu weit gewesen und das Training zu zeitaufwendig. „Ich bedanke mich bei meiner Familie, dass sie so viele Opfer für mich gebracht hat, und ich bedanke mich bei meinem Land, das mich hierher gebracht hat,“ sagte der 31-Jährige nach seinem Erfolg. Die Geschichte von Meng Guanliang, dem Olympiasieger im Zweier-Canadier, ist nur eine von vielen. 51 Goldmedaillen hat die chinesische Mannschaft bei den Spielen gewonnen, 15 mehr als die Amerikaner, und 19 mehr als vor vier Jahren in Athen. Die Goldmedaillen als Maßstab genommen, haben die Chinesen die Nationenwertung klar gewonnen.

In 17 verschiedenen Disziplinen entschieden die Chinesen Wettbewerbe für sich, darunter nicht nur in ihren traditionellen Sportarten Badminton, Wasserspringen, Turnen, Gewichtheben und Tischtennis, sondern auch im Kanu, Rudern und Windsurfen. In den großen Sportarten Schwimmen und Leichtathletik konnten die Chinesen nicht aufholen, einmal Gold im Schwimmen durch Liu Zige über 200 Meter Schmetterling der Frauen war alles, was sie den Amerikanern entgegensetzen konnten.

Der Erfolg ist lange geplant, die Chinesen haben Millionen investiert, um Talente zu sichten und in Sportschulen auszubilden. Vor den Spielen haben sie dann die meisten zentral in Peking vorbereitet.

China hat die meisten Siege erreicht bei diesen Spielen – aber nicht die besonderen. Ihr größter Star, Hürdensprinter Liu Xiang, lief wegen einer Fußverletzung über kein einziges Hindernis. Als er vom Start zurück in die Katakomben des Stadions humpelte, fingen Zuschauer und Journalisten an zu weinen. Yao Ming schied mit den Basketballern im Viertelfinale aus. Im Tischtennis fanden die Chinesen keine Herausforderer aus anderen Ländern, um sich zu beweisen, Timo Boll war gegen einen Südkoreaner ausgeschieden, und in den Endspielen bei Damen und Herren standen sich jeweils zwei aus ihrer eigenen Mannschaft gegenüber.

Auch Guo Jingjing, hinter Liu Xiang und Yao Ming die Nummer drei unter den Sportstars in China, gewann unangefochten. Ihre beiden Goldmedaillen vom 3-Meter-Brett einzeln und synchron gehörten zu den Plaketten, die ohnehin erwartet worden waren. Für die nächsten Spiele in London 2012 haben sich die Chinesen also noch etwas offen gelassen, besondere Siege. Chinas Vizepräsident Xi Jinping, der als potenzieller Nachfolger von Staatspräsident Hu Jintao gilt, sagte denn auch nach dem Ausscheiden Liu Xiangs: „Wir hoffen, dass er sich erholt und sich auf seine Genesung konzentriert. Wir hoffen, dass er seine Form wiedergewinnt, dass er weitertrainiert und noch härter für den Ruhm der Nation kämpft.“

Bernard Lagat stand in den Katakomben des Nationalstadions von Peking und blutete aus der Wade. Ein angeschlagener Weltmeister und ein abgeschlagener Weltmeister. Als Titelträger über 1500 und 5000 Meter der WM von 2007 war der Amerikaner zu den Olympischen Spielen gereist. Über 1500 Meter schied er im Halbfinale aus, über 5000 Meter wurde er Neunter. Eine Verletzung einige Wochen zuvor habe ihn aufgehalten. „In drei Wochen kann kaputtgehen, was du dir in sieben Monaten Training aufgebaut hast“, sagte Lagat, einer der Vorzeigesportler der amerikanischen Leichtathletik.

Die Stimmung in seiner Mannschaft wirkte etwas gedrückt. Dabei haben die amerikanischen Leichtathleten sieben Goldmedaillen gewonnen, nur eine weniger als vor vier Jahren in Athen. Insgesamt hat die amerikanische Mannschaft bei diesen Olympischen Spielen in Peking dazugewonnen, acht Medaillen mehr als in Athen. Macht zusammen 110 Plaketten, so viele hat sonst kein anderes Land gewonnen. Weil im Medaillenspiegel jedoch meist die Anzahl an Goldmedaillen zählt, erscheint es, als seien die USA ein Verlierer dieser Spiele – trotz des herausragenden Athleten Michael Phelps, der achtmal Gold im Schwimmen holte. Und sie hatten eine herausragende Mannschaft dabei, ihr Basketballteam, besetzt mit einigen der größten Stars ihrer Profiliga NBA. Diese Mannschaft holte am Sonntag in einem packenden Finale gegen Spanien auch eine der letzten Goldmedaillen dieser Spiele. Viele Gesichter dieser Spiele kommen aus der amerikanischen Olympiamannschaft.

Verloren haben die Amerikaner eigentlich nur den ersten Platz bei den Goldmedaillen. Allerdings konnten sie einige prestigeträchtige Wettbewerbe nicht mehr für sich entscheiden. Fünf von sechs Goldmedaillen in den Sprintwettbewerben der Leichtathletik nahmen die Jamaikaner mit, gerade der Sprint war bisher eine US-amerikanische Domäne. Doch gerade der herausragende Athlet, der dreimalige Weltmeister Tyson Gay, scheiterte schon im Halbfinale über 100 Meter und lief 10,05 Sekunden.

Dazu kamen noch zwei besonders ärgerliche Missgeschicke. Die beiden 4x100-Meter-Staffeln ließen beim letzten Wechsel den Stab fallen und erreichten so noch nicht einmal den Endlauf. „Wir sehen das als eine unserer erfolgreichsten Leistungen, die wir bisher bei Olympischen Spielen gezeigt haben“, sagte Jim Scherr jedoch, der Generalsekretär des amerikanischen olympischen Komitees, und sein Vorsitzender Peter Ueberroth sagte: „Wir könnten nicht stolzer auf unsere Athleten sein, darauf, was sie sowohl auf dem Feld als auch daneben erreicht haben. Unser erstes Ziel war es, in diesen Wettbewerben sauber zu kämpfen.“ Ob das vielleicht ein Grund war für die ein oder andere ausgebliebene Medaille in der Leichtathletik?

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