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Sport: Star neben der Strecke

Vor fünf Jahren war Jacques Villeneuve mal Weltmeister – heute steuert er in der Formel 1 in Richtung Bedeutungslosigkeit

Von Christian Hönicke

Spa-Francorchamps. Am Hals haben sich ein paar Pickel breit gemacht, ebenso am Kinn. Das ist, wie der Rest des Gesichts, schon seit Jahren mehr oder weniger unrasiert. Weiter oben ist das Haar durch unzählige Färbeattacken schon nicht mehr so zahlreich, die Haut ist nicht annähernd so gebräunt wie die der Kollegen. Jacques Villeneuve, so viel ist schon auf den ersten Blick klar, legt nicht viel auf Äußerlichkeiten.

Warum sollte er auch? Er ist Rennfahrer und kein Model. Der Formel-1-Weltmeister von 1997, einer der letzten echten Draufgänger im Motorsport. Sagt man zumindest. Jacques Villeneuve, das ist aber auch der Sohn von Gilles Villeneuve, der Anfang der Achtzigerjahre bei Ferrari zur Legende wurde. Doch der Unfalltod seines Vaters 1982 bewahrte Jacques Villeneuve nicht davor, vom „Familien-Virus“, wie er ihn selbst nennt, infiziert zu werden. Sehr zum Leidwesen von Mutter Joann. Bereits zu Lebzeiten ihres Mannes hatte ihr Sohn ihn auf dem Beifahrersitz des Familienautos zum Gasgeben aufgefordert, während sie die Tortur auf dem Rücksitz ertrug. Für Gilles Villeneuve gab es zwischen Straße und Strecke keinen Unterschied. Vielleicht haben diese Fahrten Jacques die Risikobereitschaft gebracht, die ihn heute kennzeichnet. „Ich liebe diese Strecke“, sagte er etwa beim Großen Preis von Belgien in Spa, der am Sonntag (14 Uhr. live in RTL und Premiere) gestartet wird. „Obwohl ich noch nie ein gutes Rennen hier hatte. Dafür aber jede Menge Unfälle.“

Vater Gilles Villeneuve verließ die Formel 1 schlagartig, Jacques scheint auf dem besten Weg zu sein, sich still und leise durch die Hintertür zu verabschieden. Denn seit er die Weltmeisterschaft gewonnen hat, geht es abwärts. Villeneuve wechselte von Williams zum Neuling BAR, um ein erfolgreiches Team aufzubauen – ähnlich wie Michael Schumacher bei Ferrari. Doch im Gegensatz zum Deutschen scheiterte er an dieser Herausforderung. Nur zwei Podestplätze in vier Jahren sprangen für ihn heraus. Schon werden Parallelen zum Brasilianer Emerson Fittipaldi gezogen, der nach zwei WM-Titeln sein eigenes Team etablieren wollte und in der Bedeutungslosigkeit versank.

Dort ist Villeneuve noch nicht angekommen. Der Kanadier immer noch ein Star, wenn auch immer öfter neben der Strecke. Immer seltener fällt der Villeneuve, wenn es um Fahrerplätze bei den Topteams geht. Bei McLaren hätte er vor ein paar Jahren unterkommen können, doch die konservativen Engländer konnten mit den weiten Hosen, überlangen T-Shirts und ständig wechselnden Haarfarben des Kanadiers ebenso wenig anfangen wie mit seinem Hang zu Computerspielen und Independent-Musik. Selbst beim Motorsportweltverband Fia rügte man ihn für sein Auftreten, das „eines Weltmeisters unwürdig“ sei.

Diese Art des plakativen Andersseins hat er inzwischen weitgehend abgelegt, auch wenn er in seinem viel zu großen Overall besonders nach anstrengenden Rennen immer noch wie ein kleiner Troll wirkt. Doch mit den rosa Haaren verschwand offenbar auch ein wenig Motivation. Er selbst beteuert zwar noch immer, das Siegen sei alles für ihn, eine gewisse Resignation in seinen Gesten ist jedoch unübersehbar.

Mittlerweile wird sogar über eine Rückkehr in die Cart-Serie spekuliert, auch wenn Villeneuve „darüber nur lachen kann". Vielleicht erhofft er sich nun mehr Unterstützung von Motorenlieferant Honda. Der belieferte bisher auch Jordan, das im nächsten Jahr aber auf Ford-Motoren setzt und damit BAR quasi zum Werksteam der Japaner macht. Doch das allein wird wohl kaum reichen. Villeneuves künftiger Teamkollege Jenson Button wird ihm im internen Duell mehr zusetzen als bisher Olivier Panis. Der junge Engländer könnte Jacques Villeneuve vielleicht endgültig vom Familien-Virus befreien.

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