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Sport: Stark unter europäischem Einfluss

Tunesien ist Geheimtipp bei der Handball-WM

Berlin - Die Genugtuung war Sead Hasanefendic anzumerken. Nachdem die tunesische Handball-Nationalmannschaft Ende Oktober nur knapp an einer Sensation vorbeigeschrammt war, als sie in Malmö das Finale des sogenannten World Cups gegen Olympiasieger Kroatien erst im Siebenmeterwerfen verlor, wertete der Trainer dies als späte Bestätigung der WM-Überraschung 2005 in Tunis. „Als wir vor zwei Jahren im eigenen Land WM-Vierter wurden, haben das alle auf den Heimvorteil zurückgeführt“, sagt der Kroate, der in Tunesien „Said Hassane Afendic“ genannt wird. „Dieses Urteil war falsch. Mit der Leistung heute haben wir diese Kritiker Lügen gestraft.“ Vor dem Vorbereitungsturnier in Schweden, in dem der Afrikameister im Halbfinale auch den WM-Favoriten Dänemark niedergerungen hatte, hatten nur Experten diese Mannschaft auf der Rechnung. Spätestens seit dem Finale in Malmö aber müssen die Tunesier und Hasanefendic bei der WM in Deutschland (19. Januar bis 4. Februar) als Geheimfavorit bezeichnet werden.

Bundestrainer Heiner Brand wird Tunesien, als Kopf der Gruppe A ein potenzieller Gegner der Deutschen in der Hauptrunde, keinesfalls unterschätzen. „Bei der WM vor zwei Jahren haben die Tunesier ihre Defizite noch mit Härte in der Abwehr und große Kampfkraft wettgemacht“, erinnert sich der Bundestrainer, aber das Video aus Schweden hat ihn sichtlich beeindruckt: „Die haben sich technisch und taktisch stark weiterentwickelt.“ In der Tat macht sich der europäische Einfluss unter Hasanefendic stark bemerkbar. Noch vor vier Jahren musste diese Mannschaft auf eine chaotische 3:3-Abwehr zurückgreifen, auch weil sie körperlich unterlegen war. Das hat sich nun verändert. Verantwortlich dafür ist vor allem ihr Superstar: Wissem Hmam.

Der 25-Jährige war die Entdeckung der WM 2005, als er, zumeist fast aus dem Stand mit beiden Beinen abspringend, mit seinen wuchtigen Rückraumgeschossen Torschützenkönig wurde. Nach der WM wechselte Hmam zum französischen Spitzenklub HB Montpellier, und dort macht er seitdem auch als ungewöhnlich guter Innenblocker von sich reden. Meistens spielt er im Zentrum einer 5:1-Abwehrformation, aber auch die defensivere 6:0 beherrschen die Tunesier inzwischen. Der bescheiden auftretende Hmam ist Herz und Seele dieser Mannschaft, auf seine Tore sind die Kollegen im Rückraum und auch der ausgezeichnete Kreisläufer Issam Tej angewiesen.

Dass Tej wie auch Sobhi Sioud auf halbrechts ebenfalls in Montpellier unter Vertrag stehen und ab Sommer auch der wendige und umsichtige Mittelmann Heikel Mgannem, ist kein Zufall. Mit 13 Spielern verdient mittlerweile eine ganze Kolonie tunesischer Handballer ihr Geld in der Liga des einstigen Kolonialherren. Hasanefendic hat daher mit der französischen Liga eine Vereinbarung über die Abstellung der Spieler geschlossen, mit einem für ihn hervorragendem Ergebnis: Mit insgesamt sieben Wochen Lehrgängen und 15 Testspielen geht das Team gut vorbereitet in die WM.

Das größte Manko vieler außereuropäischer Teams – schlechte Torhüter – hat Hasanefendic dadurch behoben, indem er vor zweieinhalb Jahren den früheren Weltklassetorwart Zlatan Arnautovic aus Zagreb mitbrachte. Mit seiner Hilfe haben sich Marouen Maggaiz und Wassim Hlel zu sehr guten Torleuten entwickelt, obwohl beide noch jung sind.

Befeuert wird das Team durch die Unterstützung in der Heimat. Der Handball ist mittlerweile populärer als der Fußball – nicht nur der tunesische Staatspräsident verfolgt jedes Spiel im Fernsehen.

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