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Thomas Kraft rettete Hertha BSC mit einigen guten Paraden den Auftaktsieg in Augsburg. Auch mit den Füßen zeigte er sich verbessert.

© imago/MIS

Starker Auftakt des Torwarts von Hertha BSC: Thomas Kraft: Der Rückhalt hat jetzt Rückhalt

Torhüter Thomas Kraft macht einen verbesserten Eindruck – das liegt auch an Herthas neuem Spielstil.

Der Mann, der schon von seiner Funktion her eher in der zweiten Reihe steht, drängte sich ausnahmsweise ganz nach vorne. Zsolt Petry, der Torwarttrainer von Hertha BSC, war nach dem Schlusspfiff einer der Ersten, die in der Augsburger Arena aufs Feld stürmten. Aber das hatte weniger mit plötzlichem Geltungsdrang zu tun, sondern lag eher an Petrys persönlichem Interesse. Sein Schützling, Torhüter Thomas Kraft, hatte mit zwei Paraden in der Nachspielzeit in hohem Maße zum 1:0-Erfolg des Berliner Fußball-Bundesligisten beim FC Augsburg beigetragen. „Wir müssen uns bei Thomas für die beiden Punkte bedanken“, sagte Herthas Cheftrainer Pal Dardai.

So ein Lob tut gut, auch wenn Kapitän Fabian Lustenberger seinem Torhüter einen eher nüchternen Umgang damit unterstellte: „Thomas weiß das einzuschätzen. Er denkt jetzt nicht, dass er der beste Torhüter ist.“ Stürmer werden an ihren Toren gemessen, Torhüter daran, dass sie Tore verhindern, indem sie auch mal ein paar Bälle halten. Kraft besitzt in dieser Kategorie durchaus seine Stärken. Auf der Linie ist er gut, reaktionsschnell und angstfrei. Dass der 27-Jährige trotzdem selbst von Hertha-Fans gelegentlich kritisch gesehen wird, hängt eher mit Defiziten bei den Faktoren zusammen, die früher nur am Rande interessierten: dem Spiel mit dem Fuß, der Antizipation, aber auch der Strafraumbeherrschung. Im modernen Torwartspiel sind diese Faktoren immer wichtiger geworden, und wenn die ersten Eindrücke nicht trügen, hat Kraft sich in diesen Kategorien durchaus verbessert.

Kraft profitiert vom neuen Torwarttrainer Petry

Auf der Suche nach den Gründen landet man zwangsläufig bei den Veränderungen dieses Sommers. Zur Vorbereitung auf die neue Saison hat der Ungar Zsolt Petry seine Arbeit als Torwarttrainer bei Hertha aufgenommen. Richard Golz musste nach zwei Jahren gehen – wohl auch auf Betreiben von Thomas Kraft, der bei Herthas Manager Michael Preetz seine Unzufriedenheit mit Golz kundgetan haben soll. Im Trainingslager in Schladming wollte sich Herthas Torhüter nicht mehr über seinen früheren Trainer äußern, stattdessen sagte er über dessen Nachfolger Petry: „Sein Training ist darauf ausgerichtet, was das Spiel fordert. Darauf, vorausschauend zu agieren und die richtigen Positionen zu finden.“

Pal Dardai gibt zu, dass er die Arbeit eines Torwarttrainers fachlich nicht beurteilen könne. Aber er registriert zumindest, dass Herthas Torhüter immer neue Arbeitsmaterialien bestellen und es langsam eng wird im Materiallager am Trainingsplatz. „Ich habe Vertrauen in Zsolt“, sagt Dardai über seinen Landsmann. „Und so wie es aussieht, haben die Torhüter das auch.“ Was Herthas Cheftrainer beurteilen kann, ist die Qualität des Torwartspiels – und da besteht nach zwei Spielen ohne Gegentor alles andere als Anlass zur Sorge. „Die Torhüter sind sehr zufrieden“, sagt Dardai über die neue Konstellation. „Das führt dann auch zu besseren Leistungen und zu einer besseren Motivation.“

Kraft spielt jetzt ruhiger

Die Beziehung eines Torhüters zu seinem Trainer ist immer eine spezielle. Schon durch die kleinere Größe der Lerngruppe besteht ein viel engeres Verhältnis als zwischen Feldspielern und Cheftrainer. Sie sind, zumindest unter der Woche, fast so etwas wie ein Staat im Staat. Bei Kraft und Golz war dieses Verhältnis von Beginn an schwierig, weil Golz’ Anstellung für Kraft untrennbar mit der Entlassung von Christian Fiedler verbunden war. Mit Fiedler hatte Herthas Torhüter sehr vertrauensvoll zusammengearbeitet, sich zudem bei ihm immer in hohem Maße wertgeschätzt gefühlt.

Offensichtlich hat Kraft dieses Gefühl jetzt auch wieder. Der zwischenmenschliche Umgang der Torhüter mit ihrem Trainer wirkt von außen betrachtet sehr harmonisch; viel wichtiger aber: Petry hat die bestehende Hierarchie nie in Frage gestellt. Das war zu Zeiten von Jos Luhukay und Richard Golz noch anders. Als Hertha vor anderthalb Jahren Rune Jarstein, immerhin den aktuellen norwegischen Nationaltorhüter, verpflichtete, konnte man das durchaus als Beleg für ein latentes Misstrauen gegenüber Kraft deuten.

Neben der neuen Wertschätzung kommt Herthas Nummer eins auch der neue Spielstil mit mehr Ballbesitz entgegen. Krafts gefürchtete Abschläge ins Seitenaus, für die Fans ein Quell steten Ärgers, waren bisher noch gar nicht zu sehen – weil auch der Torhüter den Ball mit kurzen Pässen in den eigenen Reihen halten soll, anstatt ihn auf gut Glück nach vorne zu dreschen. „Er hat einen Plan und weiß, was er spielen soll“, sagt Pal Dardai. „Thomas muss keine Panik haben. Das beruhigt ihn.“ Herthas Fans wahrscheinlich auch.

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