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Sport: Stehen statt schweben

Wehmütig denkt Werder an das Meisterjahr 2004

Was waren das für Zeiten. Als Hausbesitzer in Bremen-Hastedt grün-weiße Dachziegel installierten. Als der Friseur „Collor Cut“ für zwei Euro die Werder-Raute ins Haupthaar rasierte. Als der offizielle Werder-Bäcker „Bünger“ in all seinen Filialen das „Werder-Meisterbrot“ offerierte. Als dem Bremer Sporthaus das Schaumgummi-Modell der Meisterschale aus den Regalen gerissen wurde. Als der Werder-Fanshop die graue Kapuzenjacke von Thomas Schaaf aufgrund der großen Nachfrage nicht mehr liefern konnte. Drei Jahre ist das her. Und doch wirkte es selbst für Dieter Zeiffer, den lebenslustigen Fanbeauftragten von Werder Bremen, so unendlich weit weg. „2004 war alles ganz anders“, sagt Zeiffer. Wie auf der perfekten Welle sei Werder durch die Saison geritten, „und mit dem Sieg bei den Bayern hat sich die ganze Woge der Begeisterung entladen“. Eine Stadt stand kopf, als die Hanseaten drei Spieltage vor Schluss nach elfjähriger Abstinenz wieder Deutscher Meister wurden.

Aktuell aber, sagt Zeiffer, „steht der Bremer erdverwachsen auf dem Boden“. Zwar hätten sich 12 000 Werder-Fans vor Monaten mit Karten für das letzte Spiel in Wolfsburg eingedeckt, doch da beklagten die Bremer weder Formverlust noch Verletzungen, waren die Turbulenzen um Miroslav Klose oder Torsten Frings nicht vorhersehbar. „Jetzt herrscht bei den Fans in Sachen Meistertitel große Zurückhaltung“, sagt Zeiffer. Immerhin: Die Erfolgsmeldungen mit dem Verbleib von Klose, Frings und Naldo haben neue Zuversicht geschürt. Auch Ivan Klasnic soll in der nächsten Woche seinen Vertrag verlängern. Nach Informationen des Fachmagazins „kicker“ wird der Kroate, der wegen zwei Nierentransplantationen seit Dezember 2006 nicht mehr gespielt hat, das Angebot der Bremer akzeptieren. Das Vertrauensverhältnis zwischen Klasnic und der Vereinsführung galt als gestört, hat sich aber wieder gebessert.

Sogar Trainer Thomas Schaaf will ob der Treuebekundungen eine Aufbruchstimmung entdeckt haben. „Das merkt man schon die ganze Woche im Training. Jeder freut sich auf die letzten beiden Partien. Wir könnten auch heute sofort antreten und würden richtig was reißen. Wenn die anderen ihre Aufgabe nicht erfüllen, wollen wir da sein.“

Und doch ist der finale Optimismus nicht mit der anhaltenden Euphorie aus dem Meisterjahr 2004 zu vergleichen. „Das war damals so ein Überraschungs- coup wie der 60-Meter-Wunderschuss von Diego gegen Aachen“, sagt Marita Hanke aus Werders Pressestelle. Und dann erzählt sie die Geschichte, wie Firmen, die sich auf den Verleih von Videoleinwänden spezialisiert haben, kürzlich gefragt hätten, ob man in Bremen nicht so etwas bald benötige. Schulterzucken in der Geschäftsstelle. In der Tat haben – ganz im Gegensatz zu den Feiervorbereitungen in Gelsenkirchen und Stuttgart – weder Verein noch Stadt Vorbereitungen für den Fall der Fälle getroffen. Marketing-Geschäftsführer Manfred Müller hält nach heutigem Stand meisterliche Planungen für verwegen, „notfalls können wir das an einem Tag organisieren“.

Arnd Zeigler, Stadionsprecher und Songschreiber, hat die Vereinshymne „Lebenslang grünweiß“ gerade als Rockversion neu aufnehmen lassen, die heute beim Spiel gegen Eintracht Frankfurt erstmals im Weserstadion gespielt wird. Die Meisterschaft wird in dem neuen Liedgut nicht thematisiert – „wenn es so kommt, kann man daraus auch noch ein Meisterlied stricken“, sagt Zeigler. Er lässt sich gerne vom Gefühl leiten und das sagt ihm: „Dass auf Schalke schon geplant wird, wo welcher Lastwagen lang fährt, birgt nur Peinlichkeitspotenzial. Ich rechne mit Stuttgart, wir werden Zweiter.“

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