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STEIL Pass: Im Land der Schummler

Stefan Hermanns über den Trend zu mehr Ehrlichkeit im deutschen Fußball

Es ist immer wieder erstaunlich, welch rasante Karrieren im Fußball möglich sind, sowohl in die eine wie in die andere Richtung. Nehmen wir Holger Fach. Wie aus dem Nichts landete er im Sommer 2003 auf einem der raren Trainerplätze in der Bundesliga, inzwischen muss er sich beim SC Paderborn verdingen, mit dem er in der Zweiten Liga gerade einen hervorragenden letzten Platz belegt. Die Zeit ist über Fach hinweggerannt. Wie sehr, das illustriert eine Episode aus dem Jahr 2005, als er noch den VfL Wolfsburg trainierte. Im Spiel gegen Leverkusen provozierte Andres d’Alessandro damals mit einer theatralischen Einlage eine Rote Karte für den Leverkusener Babic. Bayers Sportdirektor Völler zeterte daraufhin gegen den Wolfsburger, was Fach wiederum als Heuchelei bezeichnete. Jeder Trainer verlange doch von seinen Spielern, dass sie sich auch auf diese Weise Vorteile verschafften.

Es sieht so aus, als stünde Fach mit dieser Ansicht inzwischen ziemlich alleine da. Der deutsche Fußball ringt sich immer mehr dazu durch, Schwalben und andere Betrügereien generell zu ächten, nicht nur dann, wenn sie der eigenen Mannschaft schaden. Im neuen Verhaltenskodex für die Nationalspieler soll sich ein entsprechender Passus befinden, auch Herthas Trainer Lucien Favre hat sich deutlich gegen die alltäglichen Betrügereien positioniert. Das ist erfreulich.

Es geht nicht um billige Altmännermoral. Die Ächtung von Schwalben etc. entspringt einer nüchternen Analyse: Was bringen sie? Und welche Spätfolgen sind zu erwarten? Wer sofort erwischt wird, sieht Gelb; wer später überführt wird, bleibt im öffentlichen Gedächtnis und vor allem bei den Schiedsrichtern für immer als Schummler haften. Jörgen Pettersson zum Beispiel hat sich in seiner Karriere so oft fallen lassen, dass er später nicht mal bei klaren Fouls einen Elfmeter bekam.

Aber die Elfmeterschinderei passt bestens in das düstere Sittengemälde des deutschen Fußballs. Nirgends wird mehr reklamiert, gemeckert, geschummelt, geschauspielert als bei uns – und damit das Spiel lahm gelegt. Nur in zweiter Instanz ist der Kampf gegen Schwalben daher ein Kampf für mehr Moral. Er ist vor allem ein Kampf für: mehr Fußball.

Stefan Hermanns schreibt an dieser Stelle im Wechsel mit „11 Freunde“-Chefredakteur Philipp Köster.

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