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STEIL Pass: Sportgroschen und Robinsonade

Philipp Köster würdigt längst ausgestorbene Wörter

Unsere Sprache verändert sich ständig. Wer sagt heute noch Gendarm zum Polizisten, Wams zur Jacke oder Maulschelle zur Ohrfeige? Auch das Wörterbuch des Fußballs muss ständig aktualisiert werden. Heute weiß niemand mehr etwas mit der „Robinsonade“ anzufangen, der Bezeichnung einer tollkühnen Torwartparade. Die Abseitsfalle ist nach der Auflösung des klassischen Liberos ebenso in Vergessenheit geraten wie der Schlachtenbummler und der Sportgroschen, jene zehn Pfennig, die beim Kauf jeder Bundesliga-Eintrittskarte zwangsweise für die Jugendförderung abgedrückt werden mussten.

Andere Wörter wiederum gibt es noch, sie bedeuten nur etwas völlig anderes als früher. Schönstes Beispiel: der Vertrag. Oder wie man heute eher sagt: Vertrag. Ich habe Vertrag, du hast Vertrag, er hat Vertrag. Wenn in den achtziger Jahren Karlheinz Förster seinen Vertrag beim VfB Stuttgart um drei Jahre verlängerte, bedeutete das, dass Förster tatsächlich vorhatte, die nächsten drei Jahre in Stuttgart zu spielen. Heute werden Verträge eigentlich nur noch geschlossen, um aller Welt mitzuteilen, dass der Spieler wieder auf dem Markt ist und gerne für eine völlig überhöhte Summe herausgekauft werden möchte.

Dafür sind auch völlig neue Wörter aufgetaucht. Passives Abseits, Golden Goal, Superzeitlupe – alles Erfindungen der neunziger Jahre. Hauptsponsor, Doppelpack – in meiner Jugend gab es lediglich Mäzene und zweifache Torschützen. Auch die Raute kannten wir nur aus dem Geometrie-Unterricht der gymnasialen Mittelstufe und nicht als taktische Formation ambitionierter Mannschaften aus dem oberen Tabellendrittel. Das Syndesmoseband schließlich ist inzwischen das Ziel einer der populärsten Fußballerverletzungen überhaupt, kurz hinter dem ewigen Spitzenreiter, dem Muskelfaserriss und weit vor dem Kreuzbandriss. Früher hingegen gab es allenfalls Wadenkrämpfe, ansonsten zählte unter Männern nur ein glatter Schienbeinbruch. Kein Profi hätte gewagt, das Wort Syndesmoseband auch nur in den Mund zu nehmen, er wäre sonst in der Kabine höhnisch ausgelacht worden, inklusive Maulschelle.

„11 Freunde“-Chefredakteur Philipp Köster schreibt an dieser Stelle im Wechsel mit Stefan Hermanns.

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