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STEILPASS Inland: Chilenisch für Anfänger

Lars Spannagel ist auf der Suche nach dem deutschen Fallrückzieher.

Pünktlich zum Rückrundenstart bin ich zurück am Schreibtisch, eigentlich komme ich aber gerade vom Strand. Dort durfte ich beobachten, wie ein mittelalter, mittelfitter und mittelbegabter Mann – nein, nicht ich selbst – im Sand Fallrückzieher trainierte. Das habe ich als Kind auch gemacht, unermüdlich. Der Fallrückzieher übt nun mal eine besondere Faszination aus. Im spanischen Sprachraum, dort lag auch der oben erwähnte Strand, heißt er aufgrund seines ersten Auftauchens in Chile vor 100 Jahren „la chilena“. Eigentlich schade, dachte ich, dass es keine „la alemana“ gibt, keine explizit deutsche Fußballfigur.

Wie sollte die auch aussehen? Wie eine Blutgrätsche von Jürgen Kohler? Ein Kopfball à la Horst Hrubesch? Wie ein unauffälliger aber schmerzhafter Tritt in die Achillessehne von Jens Jeremies, bei der der ausführende Spieler schon vorher scheinheilig die Hände hebt? Am liebsten wäre mir, ein Tor à la Gerd Müller würde stellvertretend für den deutschen Fußball stehen. Nicht elegant, aber effektiv. Das Problem ist, dass sich der deutsche Fußball so stark verändert hat. Özil grätscht nicht wie Kohler, der Spielertyp Hrubesch ist ausgestorben, Joachim Löw hat heimtückische Fersentritte leider für immer verboten. Der Fallrückzieher aber bleibt ewig einzigartig und universal schön – und ist den Chilenen nicht mehr zu nehmen.

Über all das dachte ich auf meinem Handtuch nach, bis ein Schmerzensschrei das Rauschen der Wellen übertönte. Der Fallrückzieher-Mann lag im Sand und hielt sich sein Knie, dass er sich übel verdreht hatte. Seine Frau saß daneben und lachte dreckig und ausdauernd. Ich könnte mich irren, aber irgendwie sah sie wie eine Chilenin aus.

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