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STEILPASS Inland: Was wirklich wichtig ist Stefan Hermanns über Unterhaltung in Fußballstadien auf RTL-2-Niveau

Am Freitag, als ich im Olympiastadion auf der Tribüne saß, musste ich kurz an die Demonstration für den Erhalt der Fankultur am Tag darauf denken. Es war unmittelbar vor dem EM-Qualifikationsspiel zwischen Deutschland und der Türkei, die Mannschaften standen schon in den Katakomben bereit, da wurde der Stadionsprecher plötzlich ganz staatstragend: „Wir bitten Sie um Aufmerksamkeit für das offizielle Eröffnungsprogramm.

Am Freitag, als ich im Olympiastadion auf der Tribüne saß, musste ich kurz an die Demonstration für den Erhalt der Fankultur am Tag darauf denken. Es war unmittelbar vor dem EM-Qualifikationsspiel zwischen Deutschland und der Türkei, die Mannschaften standen schon in den Katakomben bereit, da wurde der Stadionsprecher plötzlich ganz staatstragend: „Wir bitten Sie um Aufmerksamkeit für das offizielle Eröffnungsprogramm.“ Aus den Lautsprechern schallte eine Musik, wie man sie zuletzt in den Filmen Winnetou I bis III gehört hat, aus allen vier Ecken flitzten junge Männer in grauen Trainingsanzügen Richtung Anstoßkreis, um dort ein riesiges DFB-Banner in Wallung zu bringen. Und damit war das offizielle Eröffnungsprogramm auch schon wieder beendet.

In diesem Moment ist mir eins klar geworden. Mögen die Anhänger aus der Kurve auch noch so massiv gegen den Verlust der Fankultur protestieren: Es wird sich schon deshalb nichts ändern, weil die Mächtigen in den Verbänden (und wohl auch in den Vereinen) einen ganz anderen Kulturbegriff haben. Sie verstehen den Fußball als Unterhaltungsbetrieb auf RTL-2-Niveau: Hauptsache, es passiert irgendwas, vor dem Spiel, in der Pause, nach dem Spiel. Der echte Fan hingegen kann auf das ganze Brimborium drumherum dankend verzichten. Er braucht nur das Spiel, und nichts als das Spiel.

Die skurrilste Entgleisung der Spaßguerilla habe ich 2006 nach dem WM-Halbfinale in Dortmund erlebt. Das Sommermärchen war gerade zu Grabe getragen worden, die Nation trug Trauer, und trotzdem rafften sich die deutschen Spieler noch zu einer letzten Runde durch das sich leerende Westfalenstadion auf. Es hätte ein großer Moment werden können – wenn die Stadionregie nicht längst andere Pläne gehabt hätte. Passend zur Jubelstimmung jagte sie „Und dann die Hände zum Himmel“ durch die Lautsprecher.

Richtige Feingeister gibt es beim Fußball eben nicht nur in den Kurven.

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