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In die eigene Tasche. Freundschaftsspiele und Weiterbildungen muss ein Schiedsrichter eigenständig bei der Steuer angeben. Nicht jeder macht das offenbar korrekt.

© dpa

Steuerhinterziehung: Ein ganz normales Verbrechen

Spitzenschiedsrichter werden der Steuerhinterziehung beschuldigt. Lücken im System der Verbände machen den Betrug erst möglich

Die mühevolle Kleinarbeit beginnt nun mit der Auswertung der Unterlagen. Jenen Unterlagen, die Steuerfahnder bei ihren Durchsuchungen beschlagnahmt haben. Wie berichtet ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen 21 Schieds- und Linienrichter aus den obersten Fußballspielklassen wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung, es gab Razzien sogar bei Fifa-Schiedsrichtern. Auslöser der Ermittlungen ist Manfred Amerell. Der frühere Unparteiische belieferte die Fahnder über sieben Monate hinweg mit selbstrecherchierten Daten und Hintergründen zu internationalen Spielen seiner früheren Kollegen. Amerell erschien fast wöchentlich in den Büros der Beamten, „was ehrlich gesagt schon etwas nervt“, wie ein Fahnder berichtet.

Auf den ersten Blick mutet der Fall etwas seltsam an. Steuerbetrug? Ausgerechnet von den Unparteiischen, die Woche für Woche aus allen möglichen Perspektiven von TV-Kameras ausgeleuchtet werden? Wie, bitte, soll das denn gehen?

Es geht erschreckend einfach. So soll der Fußball-Weltverband Fifa etwa deutschen Schiedsrichtern Honorare auf Konten im Ausland überwiesen haben, womöglich auch nach Liechtenstein. Ermittler gehen davon aus, dass die nicht versteuerten Einkünfte im sechsstelligen Bereich liegen. „Es gibt viele Möglichkeiten, das Finanzamt zu umgehen“, sagt ein langjähriger Schiedsrichter, „wer ausgerechnet Einnahmen aus Bundesligaspielen verschleiert, den müsste man schon wegen Dummheit bestrafen.“ Die Schlupflöcher seien vielmehr in den unteren Ligen zu finden. Oder bei Einsätzen im Ausland.

Einnahmen kann jemand, der es darauf anlegt, etwa bei sogenannten Privatspielen hinterziehen. Länderspiele, die als Freundschaftsspiele deklariert sind, gelten als Privatspiele. Der Schiedsrichter und seine Assistenten erhalten ihren Lohn vom veranstaltenden Verband in bar. „Das ist vollkommen normal, das war noch nie anders. Die Einnahmen müssen die Unparteiischen in ihren Heimatländern versteuern. Das liegt in ihrer Verantwortung. Der Veranstalter hat damit nichts zu tun“, sagt ein Schiedsrichter mit internationaler Erfahrung. Wer zum Schiedsrichterteam gehört, erhält üblicherweise 800 Euro pro Spiel. Ob jemand diese Einnahmen in seiner Steuererklärung angibt, prüft kein Verband nach. Weshalb auch?

Die gleiche Prozedur gilt für Freundschaftsspiele auf Vereinsebene, zum Beispiel, wenn der 1. FC Nürnberg gegen Dukla Prag spielen sollte oder der VfB Stuttgart gegen Inter Mailand. Anders sieht es bei internationalen Spielen mit Wettkampfcharakter aus, etwa im Europacup. Hier überweist der europäische Verband das Geld dem Unparteiischen direkt.

Oft fordert auch eine ausländische Liga einen Schiedsrichter und auch mal ein ganzes Team an. In Japan, in Rumänien, weltweit. Es sind sie Verbände kleinerer Ligen, bei denen wichtige Pokal- oder Meisterschaftsspiele anstehen. Wegen der Brisanz der Duelle wird oft auf ausländische Kompetenz zurückgegriffen. Solche Spiele pfeift nicht nur deutsches Personal. „Da pfeifen auch Schweizer oder Italiener, das ist etwas völlig Normales“, sagt ein Insider. Der jeweilige Verband des Landes, aus dem die Abordnung kommt, setzt die Schiedsrichter an und erledigt die Reiseplanung. „Aber die Abrechnung ist Sache des Unparteiischen.“ Die Angaben beim Finanzamt auch. „Da verlangt ja kein Verband eine Kopie der Quittung, um sie ans zuständige Finanzamt zu schicken“, erklärt ein Schiedsrichter. Ein anderer bestätigt das Verfahren.

Natürlich bedeuten die derzeitigen Ermittlungen keineswegs, dass alle Referees betrügen. Viele beklagen sich vielmehr, dass ihre Steuerabrechnungen sehr kompliziert sind – im Spannungsfeld zwischen Scheinselbstständigkeit und dem Betreiben eines gewerbesteuerpflichtigen Unternehmens. Doch gerade deshalb lässt sich das Finanzamt auch leicht betrügen – etwa bei Weiterbildungen.

Ein Unparteiischer kann jederzeit zu einem Spiel fahren, etwa in der Bundesliga, er zeigt seinen Schiedsrichterpass vor, hat freien Eintritt und kann sich dann auf die Tribüne setzen. Den Ausflug kann er dem Finanzamt als Fortbildung angeben. Ob er tatsächlich auf der Tribüne gesessen hat, das weiß jedoch niemand.

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