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Stiloffensive (14): Der James Bond des Platzes

An dieser Stelle schreibt Verena Friederike Hasel im Wechsel mit Esther Kogelboom über die modischen Verirrungen bei der EM. Heute erklärt sie die Schiedsrichter zu den wahren EM-Stars.

Es gibt einen Beruf, der ist wenig dazu angetan, dass Leute auf Partys aufgeregt in eine Ohnmacht kippen, wenn man ihn nennt, und das ist der des Steuerberaters. Ein Riesenglück für Manuel Mejuto Gonzalez, dass er nebenher noch Schiedsrichter ist. In ein, zwei Jahren wird der Spanier eine Fußballsendung mit dem Titel „Manu schaut zu“ haben, in Interviews wird er immer wieder gefragt werden, wie es sich angefühlt habe, Löw und Hickersberger des Platzes zu verweisen („Das war eine einsame, harte Zeit, das muss ich sagen, ich stieß auf viel Unverständnis. Sehr aufgemuntert hat mich aber eine SMS von Urs Meier, die ich noch in derselben Nacht bekam.“) und in Zeitungen wird man Schlagzeilen wie „SPD: CDU macht schon wieder den Gonzalez“ lesen, eine dann gängige Metapher für umstrittene Entscheidungen.

Die Schiedsrichterei erscheint mir eine ganz außerordentliche Tätigkeit zu sein – da ist man von seiner Grundkonstitution eher ein bedenkenumwölkter Nörgler und will, dass alles seine Ordnung hat, und ab dem ersten Pfiff lebt man dann ostentativ und mitunter sogar gefährlich: Vor ein paar Tagen bekam ein Mann in England Morddrohungen, weil er wie der Schiedsrichter, der das Spiel zwischen Österreich und Polen pfiff, Howard Webb heißt.

Fragt man die Bonds des Platzes nach ihrem Vorbild, verweisen sie alle auf die Leistung von Walter Eschweiler. Der war zunächst einmal so unauffällig, dass ihn ein peruanischer Spieler in der WM 1982 glatt über den Haufen rannte. Eschweiler rettete sich durch eine Rolle rückwärts. Sie machte ihn berühmt, ebenso wie die Tatsache, dass er trotz des Verlustes eines Zahns zu Ende pfiff.

Es ist also nur folgerichtig, dass Schiedsrichter heutzutage nicht mehr in Schwarz, sondern in Farbe auftreten. An seinem großen Tag trug Manuel Mejuto Gonzalez (s. Bild) zwar das recht bescheidene Blau, trumpfte dafür aber mit seinen zwei Uhren auf.

Großes wird ihn erwarten. Schiedsrichter Markus Merk, der seine Dissertation über „Untersuchungen zur Formänderung kalt- und heißpolymerisierender Prothesenkunststoffe nach Behandlung im Ultraschallbad“ schrieb (auch das kein Thema, das sich auf Parties wohlfühlt), gibt inzwischen Managerseminare mit Titeln wie „Die sichere Entscheidung“ und „Persönlichkeit, ein steiniger, aber lohnender Weg“.

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