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Stiloffensive (20): Der mit dem Wolf kickt

An dieser Stelle schreibt Verena Friederike Hasel im Wechsel mit Esther Kogelboom über die modischen Verirrungen bei der EM. Heute ist sie auf der Suche nach dem Alphatier in Michael Ballack.

Mag sein, dass der Hund der beste Freund des Menschen ist. Beim Fußballer verhält es sich das ein wenig anders: Sein bester Freund ist das Alphatier, möglichst ungezähmt und wild und sturmzerzaust. Nehmen wir zum Beispiel Ballack: Am liebsten sehen wir ihn, wenn er (siehe Bild rechts) den Mund aufreißt, als wolle er gleich das gegnerische Tor verschlingen und die Pfosten mit seinem kräftigem Kiefer zermalmen. So ein Anblick kann sogar darüber hinweghelfen, dass sich Ballack in Interviews meist weigert, das Alphatier zu geben. Eher hat er in diesen Momenten etwas vom Affen Rotpeter, der in der Kafka-Erzählung „Bericht für eine Akademie“ den hohen Herren von seiner Menschwerdung erzählt. Oliver Kahn – auch bekannt als King Kahn – war da gefälliger. Einmal biss er dem Stürmer Heiko Herrlich in den Hals, ein anderes Mal verzehrte er eine Banane, die Fans des Gegners nach ihm geworfen hatten. Er selbst sah sich aber einem anderen Tier verbunden. In einer Kultursendung rezitierte er das Rilke-Gedicht „Der Panther“, darin heißt es: „Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte, der sich im allerkleinsten Kreise dreht, ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte, in der betäubt ein großer Wille steht.“

Michael Ballack
Hungrig. Michael Ballack jubelt so, als wolle er mit seinem kräftigen Kiefer die Torpfosten zermalmen.

© dpa

Nun passt so ein schwermütig-elegantes Tier lange nicht so gut aufs Fußballfeld wie andere: Jürgen Wegmann verlieh sich eigenhändig den Namenszusatz „Kobra“, Stefan Effenberg ließ sich einen Tiger auf den Hinterkopf rasieren, Berti Vogts wurde auch als „Terrier“ bezeichnet. Doch es gab auch Spieler, die – obgleich Leitwölfe – auf Tiernamen verzichten mussten. Hans-Peter Briegel zum Beispiel war die „Walz aus der Pfalz“, er verzichtete darauf, sich diesen Ehrentitel irgendwohin rasieren zu lassen. Und Torsten Frings hat es ganz übel getroffen. Er lässt sich konsequent die Haare wachsen, ist tätowiert und geht kompromisslos in die Zweikämpfe – trotzdem hat es nur zum Spitznamen „Lutscher“ gereicht. Was ihm fehlt, ist Ballacks sehr niedriger Haaransatz, der dem deutschen Kapitän etwas Animalisches verleiht.

Wenn Ballack sich nun noch ein Beispiel an Roy Keane von Manchester United nimmt, wird aus ihm eines Tages vielleicht doch ein ansehnliches Alphatier. Als David Beckham heiratete, fehlte Keane, stattdessen hing er in seiner Lieblingskneipe „Blutender Wolf“ rum. Darauf angesprochen sagte er: „Ich hatte die Wahl zwischen Hochzeit und Wolf – der Wolf hat gewonnen."

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