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Stiloffensive (8): Das Kreuz mit dem Wappen

An dieser Stelle schreibt Verena Friederike Hasel im Wechsel mit Esther Kogelboom über die modischen Verirrungen bei der EM. Heute wundert sie sich über die Schweiz als Marke.

Die Schweiz ist raus aus der EM, das Bedauern ist groß. Haben sich doch so viel Mühe gegeben mit dem Fantum, obwohl viele von ihnen nicht recht verstanden, warum beim Public Viewing nicht wenigstens in der Halbzeitpause die „Best-of“-DVD von der Eishockey-WM eingelegt wurde. Doch trotz jeder Eishockey-Vorliebe – die zwei jungen Damen auf dem Bild hatten sich offenbar extra ein XXL-Fingerfarben-Set rot-weiß zugelegt und dann diese Pleite. Allerdings haben sie Glück im Unglück – Schweizer sind nicht Stoßzeiten-, sondern Ganzjahresfans ihres Landes, solche Fingerfarben gehören in jeden gut sortierten Schweizer Haushalt. Analysieren wir das Äußere des enthusiasmierten Fans genauer: „Hopp Schwiiz“ steht ihnen ins Gesicht geschrieben, das wollte man auch im Endspiel hören. Nun hat mir eine Bekannte aus Zürich erzählt, dass es inzwischen T-Shirts mit dem Aufdruck „Hopp Deutschland“ bei ihnen gibt. Den Spruch können sich die Damen also abschminken.

Euro 2008: Schweiz - Tuerkei
Hopp Schwiiz können sie sich abschminken. Die EM muss ab dem Viertelfinale ohne die Schweizer Fans auskommen.

© ddp

Anders verhält es sich mit dem Schweizer Kreuz, das können sie dranlassen, die Schweiz ist eine Marke und ihr Wappen eine Mode. genannt: Swissness. Ende der Neunziger fing es an, da war das Schweizer Kreuz mit einem Mal auf T-Shirts, Taschen und Mützen zu sehen. Dass das so passierte, liegt vielleicht an einer Besonderheit des Schweizer Identitätsgefühl – sie besteht darin, dass sich Schweizer nie ganz sicher sind, ob sie so etwas wie eine Identität überhaupt haben. „La Suisse n’existe pas“, stand auf einem Gemälde, mit dem sich das Land auf der Expo 1992 präsentierte – auch das ein Ausdruck der Frage, wie 26 Kantone, weder durch Sprache noch durch Religion zusammengehalten, einen gemeinsamen Nenner finden können. Vielleicht brauchen die Schweizer ihr Kreuz deshalb ganzjährig gut sichtbar, zur Beruhigung, dass es ihr Land doch gibt.

Allerdings diskutiert man auf politischer Ebene schon darüber, welche Firma das Wappen verwenden und „Made in Switzerland“ auf Produkte schreiben darf. Wie viel Schweiz muss drin sein im Schweizer Produkt? 60 Prozent inklusive Forschung und Entwicklung, sagen die einen. Zu viel, sagen die anderen. Zumindest sind die politischen Auswüchse dieser Identitätsdebatte erst einmal zu einem guten Ende gekommen und die SVP ist mit ihrer Ausländer-Abstimmung gescheitert. Mögen die beiden Mädchen ihre Flagge noch möglichst lange tragen.

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