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Wieder mal Chef. Der kurzfristig beförderte Lorenz-Günther Köstner (r.) mit Co-Trainer Andries Jonker. Foto: dpa

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Sport: Stoisch gegen die Verkrampfung

Köstner will Wolfsburgs Spieler mental aufbauen.

Von Christian Otto

Wolfsburg - Nüchtern und sachlich, anders kann es Lorenz-Günther Köstner auch nicht, erzählte er die Geschichte von seinem letzten Saunagang als Amateurtrainer und der Nachricht auf seiner Mailbox. „Eigentlich war ich bis mittags noch auf ein Spiel gegen den FC Oberneuland eingestellt. Aber dann kam ich aus der Sauna und habe diesen Anruf auf meinem Handy gesehen.“ Das hohe Tempo, mit dem ihn die Entscheider des Volkswagen-Konzerns und damit des VfL Wolfsburg vom Amateurtrainer in der Regionalliga zum Chefcoach in der Bundesliga befördert haben, ist Köstner bereits gewohnt. Wenn der 60-Jährige heute mit den Profis des VfL bei Fortuna Düsseldorf antritt, ist er schon zum zweiten Mal als Retter des Klubs gefragt – dieses Mal als Nachfolger des gescheiterten Felix Magath, der seit Donnerstag nicht mehr Chef des Klubs ist.

Das erste Training unter der Regie von Köstner war schwungvoll. „Ich habe mich extra mitten auf den Platz gestellt, weil ich hören will, was gesprochen wird“, berichtete Köstner stoisch. Der Vielzahl von Kameras, Mikrofonen und Notizblöcken stand Köstner danach in Trainingsanzug und Turnschuhen gegenüber. Er soll beim VfL Wolfsburg ganz unaufgeregt etwas reparieren, was Magath kaputtgemacht hat. „Irgendetwas muss nicht gestimmt haben. Ich hoffe, dass sich die Spieler jetzt öffnen“, sagte Köstner, der die Dinge pragmatisch angeht. Unter Magath, der nach dem Absturz des Teams auf den letzten Tabellenplatz als Trainer, Manager und Geschäftsführer fallen gelassen wurde, wirkten die Profis verängstigt und verkrampft. Köstner kann sich in der Rolle des Interimstrainers voll und ganz darauf konzentrieren, die vorhandenen Spieler bei Laune zu halten und mental wieder aufzubauen.

Die beendete Machtfülle von Magath und die Vielzahl seiner verlorenen Posten bringt eine große Tücke mit sich. Der VfL Wolfsburg sucht nicht nur einen neuen Trainer, sondern muss eine gesamte sportliche Leitung neu zusammenstellen. Der frühere Nationalspieler Bernd Schuster wird als Nachfolger gehandelt, der Niederländer Bert von Marwijk auch. Für den Posten des Sportdirektors soll der beim FC Bayern entlassene Christian Nerlinger der Wunschkandidat sein. Während der Vorstand von VW und der Aufsichtsrat des VfL damit beschäftigt sind, ihren Scherbenhaufen zusammenzukehren, beschränkt sich Köstner auf das Minimalistische. Der bei Magath mehrfach in Ungnade gefallene Spielmacher Diego bekam sofort wieder ein Leibchen ausgehändigt, das ihn im Training als Denker und Lenker der Mannschaft erkennen ließ. „Wir brauchen hier jetzt vor allem Ruhe“, sagt Köstner und spricht damit den Spielern aus der Seele. „Wir müssen uns als Team so schnell wie möglich finden“, sagte VfL-Kapitän Diego Benaglio. „Man hat nach einem Trainerwechsel schon oft gesehen, dass die Dinge plötzlich wieder funktionieren. Ich wünsche mir, dass hier wieder Normalität einkehrt.“

Eigentlich, und das ist das Dumme an diesem Trainer für den Übergang, ist Köstner auch ein kleiner Magath. Er mag keine Disziplinlosigkeiten, lässt die Spieler gerne viel laufen und duldet keine Allüren. Aber der gebürtige Franke führt offenbar auch einfühlsame Gespräche. Wie viel Zeit Köstner dafür bleibt, bevor ihn wieder ein prominenterer Kollege ablöst, ist aber völlig offen.Christian Otto

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