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Kommt da noch was? Britta Steffen versucht, ihren WM-Vorlauf zu verstehen. Ihre anschließende Flucht könnte Folgen haben. Foto: dapd

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Sport: Strafe müsste sein

Der Deutsche Schwimmverband würde Britta Steffen wohl gerne sanktionieren – weiß aber nicht, wie

Berlin - Mühsam zieht sich Britta Steffen nach oben. Klimmzüge sind nicht so lustig, wenn man eine Gewichtsweste mit nach oben bringen muss. Fünf, sechs Mal stemmt sich die 27-Jährige hoch, am Ende ist ihr Gesicht vor Anstrengung rot. Drei Meter weiter beobachtet Lutz Buschkow die Hangelei im Kraftraum des Leistungszentrums Kienbaum. Die Schwimm-Nationalmannschaft hat sich hier zum Trainingslager versammelt, es ist der erste Team-Termin nach der Schwimm-WM in Schanghai. Als sie aufeinandertrafen im Kraftraum, Buschkow, der Sportdirektor des Deutschen Schwimmverbands (DSV), und die Doppel-Olympiasiegerin Steffen, da haben sie sich nett begrüßt.

Inzwischen ist das Verhältnis etwas abgekühlt. Denn irgendwann bei diesem Trainingslager verzogen sich Steffen und Buschkow in eine ruhige Ecke. Seither gibt’s ein Problem, unklar ist nur, für wen es gewichtiger ist, für Steffen oder für den DSV. Denn dort wurde unter anderem darüber geredet, wie man mit der frühzeitigen, fast panikartigen Abreise von Steffen bei der Schwimm-WM umgeht. Die Doppel-Weltmeisterin war geflüchtet, weil sie drei Rennen verpatzt hatte.

Wird sie deswegen vom Verband sanktioniert? Und wenn ja, wie? Das sind gerade die Fragen, die geklärt werden müssen. In dem Gespräch war die Rede von einer Spende an die Schwimm-Jugend, als eine Art Wiedergutmachung. In welcher Form über diese Spende geredet wurde, ist umstritten. Die DSV-Präsidentin Christa Thiel erklärte gegenüber dem Sportinformationsdienst: „Es gab ein Gespräch zwischen Frau Steffen und Herrn Buschkow. Da ist auch über eine Art Wiedergutmachung gesprochen worden, die hat sie aber von sich gewiesen.“ Steffens Managerin Claudia Lindner erwiderte dagegen, „eine Sanktion in Form einer Geldstrafe sei lediglich mündlich in den Raum gestellt worden“. Nach Tagesspiegel-Informationen handelt es sich um eine Summe von mehreren tausend Euro. Überlegt wurde in dem Gespräch offenbar auch, Steffen die finanzielle Unterstützung, die sie als Kadersportlerin erhält, zu streichen oder einzuschränken. Eine Drohung, welche die Großverdienerin Steffen aber kaum beeindrucken dürfte. Gestern erklärte die DSV-Präsidentin Christa Thiel nur noch: „Zu dieser Angelegenheit wird es keinen Kommentar mehr geben.“

Im Verband hat das Thema Steffen Erstaunen, aber auch ziemliche Verärgerung ausgelöst. Am vergangenen Freitag gab Steffen eine Pressekonferenz in Berlin, in der sie ihre frühzeitige Abreise begründete, aber auch den bemerkenswerten Satz verkündete: „Ich bin etwas überhastet abgereist, aber ich würde es wieder tun.“ Das könnte sie zwar machen, aber damit verstieße sie erneut gegen den Athletenvertrag, den auch sie unterschrieben hat. Dort steht viel von Pflichten eines Nationalmannschaftsmitglieds, nichts aber vom Recht auf eine vorzeitige Rückreise wegen hochgradiger Frustration. „Wenn sie eine Tennisspielerin wäre und ihre Trainer und ihre Flüge selber bezahlen würde, könnte sie abreisen, wenn sie will“, sagt ein hochrangiges Mitglied des DSV dem Tagesspiegel. Aber bei ihr „bezahlt der Steuerzahler den Trainer und die Reisekosten“.

Zu ihrer Pressekonferenz reiste Steffen extra aus dem Höhen-Trainingslager in der Sierra Nevada an, am nächsten Tag flog sie wieder zurück. Der Trainingseffekt ist damit zumindest eingeschränkt. Auch das sieht der eine oder andere im DSV mit Unbehagen. Steffen erklärte, sie habe in Berlin auch einen anderen Termin wahrgenommen, der schon lange festgestanden habe. Das Trainingslager sei später terminiert worden. Zudem hätten die Trainer diesen Rückflug toleriert, wenn auch nicht sehr begeistert.

Aber wie soll man jetzt weiter mit Steffen umgehen? Einen Rückzieher, also keine Sanktion, kann der DSV ohne Gesichtsverlust nicht mehr machen, dann würden auch andere Athleten plötzlich vorzeitig abreisen. Andererseits ist eine sportliche Sperre, wie gerüchteweise bereits kolportiert wurde, auch äußerst unwahrscheinlich.

Theoretisch könnte sie ab sofort aus sämtlichen Leistungen der Nationalmannschaft herausgenommen werden. In der Praxis ist das eigentlich unvorstellbar. Erstens wird der DSV nicht in der Vorbereitung auf Olympia seine beste Athletin aus dem Verkehr ziehen, zweitens hat der DSV einen Fernsehvertrag, und die Sender ARD und ZDF wären bestimmt nicht begeistert, wenn bei Wettkämpfen, die die TV-Anstalten übertragen, plötzlich das wichtigste Gesicht fehlen würde.

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