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Sport: Stürmische Zeiten

HSV gegen Schalke zeigt: Auch Spitzenspiele in der Bundesliga haben manchmal hohen Unterhaltungswert

Von Karsten Doneck, dpa

Als einst Ernst Happel den Hamburger SV trainierte, gab es für die Mannschaft nur eine Richtung: nach vorne. Lag der HSV knapp in Führung und geriet in der Schlussphase heftig unter Druck, wurde Happel entgegen dem Brauch seiner Trainerkollegen an der Seitenlinie aktiv: Er nahm einen Verteidiger raus, brachte dafür einen Stürmer. „Wenn’s g’winne willst, musst Tore schießen“, pflegte der Österreicher Happel in der ihm eigenen Knappheit zu sagen.

Ganz so verwegen taktiert der HSV aktuell nicht. Aber auch Trainer Martin Jol bevorzugt die stürmische Variante des Fußballs. Egal, wer da gerade der Gegner ist. Und weil am Sonntag auch Schalke 04 keinesfalls mit einer Die-Null-muss- stehen-Mentalität in Hamburg aufkreuzte, entwickelte sich ein turbulentes Spitzenspiel. Die 57 000 Zuschauer fühlten sich blendend unterhalten, auch wenn beim 1:1-Endstand die Torausbeute angesichts vieler Chancen eher mäßig ausfiel. „Wenn wir das zweite Tor erzielt hätten, wäre vieles leichter geworden“, bedauerte Jol nachher.

Spitzenspiele in der Fußball-Bundesliga, stets mit hohen Erwartungen verknüpft, gerieten in der Vergangenheit oft genug zu Langweilern. Da traten dann zwei Mannschaften an, die – beidseitig – ihre eigenen Stärken beharrlich verleugneten, um sich darauf zu beschränken, den Gegner erst einmal nur zu belauern. Das Spiel begann mit einer sogenannten Abtastphase, die auch schon mal bis zum Schlusspfiff andauerte, der Unterhaltungswert tendierte gegen null. Es scheint in der Liga ein Umdenken stattgefunden zu haben. „Wir wollen attraktiven Offensivfußball spielen, damit unsere Fans glücklich und zufrieden nach Hause gehen.“ Das hatte Martin Jol zu seinem Dienstbeginn in Hamburg verkündet. Ein hehres Versprechen. Aber: Jol hält Wort. Der Holländer zeigte zusammen mit seinem Landsmann und Freund, dem Schalker Trainer Fred Rutten, dass auch ein Bundesliga-Spitzenspiel zum Spektakel werden kann. Beide Teams lieferten in den ersten 20 Minuten ein höchst aufregendes Spiel, das danach etwas abflaute, aber hochwertig blieb.

Werder Bremen mag da als Vorbild stehen. Als Bremens Trainer Thomas Schaaf nach einer Niederlage mal zu einer etwas vorsichtigeren, auf Torsicherung bedachten Ausrichtung seiner Elf geraten wurde, erwiderte er brummelnd und unwillig: „Wir werden unseren Stil nicht ändern.“ Werder hat in dieser Saison schon zwei Spiele von großem Format bestritten: der 5:2-Sieg bei Bayern München und der 5:4-Sieg über Aufsteiger TSG Hoffenheim – Spiele, die im Gedächtnis haften bleiben.

Es sind ohnehin die Trainer, die den neuen, risikoreichen Stil pflegen. Schaaf, Jol, Rutten und nicht zu vergessen auch Jürgen Klopp in Dortmund oder Ralf Rangnick bei der TSG Hoffenheim oder auch Bruno Labbadia in Leverkusen – das sind die Männer, die beim Fußball das Toreschießen weit vor das Toreverhindern stellen. Gerade der HSV hat in dieser Hinsicht vor Martin Jol mit Huub Stevens einen ganz anderen Typ von Trainer gehabt. Erfolgreich war Stevens auch. Aber sein Fußball war wenig spaßgeladen, er war durchorganisiert, zweckmäßig, ergebnisorientiert – kurz gesagt: er war langweilig. „Vorige Saison hat der HSV 47 Tore erzielt. Das ist eindeutig zu wenig“, hat Jol erkannt, seinem Vorgänger aber im gleichen Atemzug bescheinigt: „Er hat in der damaligen Situation alles richtig gemacht.“ Stevens hatte den HSV im tiefsten Tabellensumpf übernommen.

Ein 1:1 als Endstand: In einen Torrausch, wie das bei Werder Bremen immer wieder mal vorkommt, konnten sich Hamburg und Schalke im Spiel gegeneinander nicht steigern. HSV-Abwehrspieler Joris Mathijsen wollte sich mit solchen Gedanken nicht lange aufhalten. „Jetzt können wir uns mal kurz ärgern, doch dann warten schon die nächsten schweren Aufgaben auf uns“, sagt er. Der HSV tritt am nächsten Sonntag als Tabellenführer beim Tabellenzweiten TSG Hoffenheim an. Die Trainer Jol und Rangnick bieten die Gewähr dafür, dass es wieder ein offensiver Schlagabtausch wird. HSV-Mittelfeldspieler David Jarolim sagt: „Hoffenheim ist sehr torhungrig, doch es ist auch mal an der Zeit, dass sie jemand stoppt.“

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