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Sport: Sturz und Aufstieg

Franco Marvulli überschlug sich am ersten Abend auf der Bahn – nun liegt er in Führung

Berlin. In Rennpausen hockt Franco Marvulli im Schneidersitz in seiner Koje im Fahrerlager und verschickt SMS. Auch seine Ergebnisse beim Sechstagerennen im Velodrom tippt er in sein Handy. Die Nachrichten, die seine Freunde bekommen, sind positiv: Der Schweizer liegt nach dem vierten Tag gemeinsam mit dem Italiener Marco Villa in Führung. Vierter waren sie nach der dritten Nacht gewesen. Gestern nun verdrängten sie Robert Bartko und Guido Fulst von der Spitze – der Vorsprung beträgt allerdings nur sechs Punkte.

„Wir sind das Joker-Team“, sagt Marvulli, „die anderen wissen nicht, wie sie uns einschätzen sollen.“ Der 25-Jährige ist als Partner von Villa Nachfolger von Publikumsliebling Silvio Martinello, der vor einem Jahr in Berlin seinen Abschied gefeiert hatte. Martinello gewann mehrmals in Berlin, er gehörte zu den Stars der Szene. Eine Rolle, in die Marvulli durchaus hineinwachsen könnte. 2003 gewann er in Grenoble und Moskau zwei Sechstagerennen und wurde mit Bruno Risi Weltmeister im Zweier-Mannschaftsfahren. „Die Veranstalter wollten Villa einen starken Partner geben. Es ist eine Ehre, dass ich das bin“, sagt Marvulli. Sein Plus als Halb-Italiener: er kann sich mit Villa in dessen Muttersprache verständigen.

Marvulli hat sich an die Spitze des Feldes gesprintet – dabei hatte es am ersten Abend so ausgesehen, als könnte er zunächst gar nicht mehr aufs Rad steigen. Bei der Kleinen Jagd konnte er in der Kurve dem gestürzten Berliner Björn Schröder nicht mehr ausweichen und krachte auf die Bahn. Sanitäter trugen ihn von der Bahn. „Ich hatte ziemliche Schmerzen und konnte mich schlecht bewegen.“ Ein spektakulärer Sturz – ohne Folgen. Minuten später saß Marvulli wieder auf dem Rad, trotz Abschürfungen am Arm und einer Hüftprellung. „Stürze gehören dazu“, sagt der Fahrer mit der schwarzen Nummer fünf auf dem blauen Trikot, „meine Beine tun mir vom Fahren inzwischen mehr weh als die Verletzung“. Böse sei er Schröder nicht, auch „wenn der Materialschaden groß ist. Ein neues Vorderrad kostet 1000 Euro.“

Marvulli und Villa, die in München gemeinsam Sechster wurden, mussten erst einen gemeinsamen Fahrstil finden. Bei den Ablösungen, bei denen ein Fahrer heranrast und den anderen ein Stück mitzieht, um ihm Schwung zu geben, gab es zunächst Probleme. „Er hat sehr kurze Arme, ich lange“, erzählt Marvulli, der mit 1.91 Meter rund zwei Köpfe größer ist als Villa. Mittlerweile haben die beiden die richtige Technik entwickelt. Und die ist vielleicht sogar gut genug für den Sieg.

Helen Ruwald

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