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Sport: Suche nach dem Ego

Dirk Nowitzki fällt es schwer, die Rolle als alleiniger Führungsspieler im Basketballteam der Dallas Mavericks auszufüllen

Es ist beängstigend, wie sie ihn in Dallas verehren. Sein Konterfei fährt auf Linienbussen durch die texanischen Straßenschluchten, seine kosmetisch geschönten Schneidezähne strahlen auf der Homepage der Mavericks. Der deutsche Basketballnationalspieler Dirk Nowitzki ist in seiner amerikanischen Wahlheimat eine Berühmtheit. Ein Radio-Reporter holt nach einer deprimierenden Heimniederlage Anfang März sogar ganz weit aus, um das Phänomen Nowitzki zu beschreiben. „Dirk ist wie das Kind, das zu Beginn des Sommers nur Bauchklatscher im Pool landet. Aber er hört nicht auf zu üben. Später springt er mit einem perfekten Flickflack ins Wasser.“ Die Metapher soll verdeutlichen, wie unermüdlich die Nummer 41 an seinen Bewegungen arbeitet.

Als Dirk Nowitzki Anfang 1999 seine ersten NBA-Spiele bestritt, konnte er sich nur auf seinen Wurf verlassen. Der war und ist gut, aber wenn er nicht traf, war er bereits am Ende seiner Möglichkeiten. Seit dieser Saison hat der 26-Jährige sein Aggressionspotenzial deutlich gesteigert. Immer häufiger zieht er unerschrocken zum Korb. Die Konsequenz: Meist begeht einer seiner Gegenspieler ein Foul. Mit 9,3 Freiwürfen pro Spiel liegt Nowitzki ligaweit auf Rang fünf und mit 26,5 Punkten pro Spiel hinter Allen Iverson und Kobe Bryant auf Rang drei. So steht es auf einem unscheinbaren Stück Papier, das den Journalisten beiläufig im Media Room des American Airlines Centers gereicht wird. Die Überschrift: „Dirk Nowitzki – MVP- und All-NBA-Kandidat“. Außer ihm werden noch acht Superstars wie Shaquille O’Neal oder Allen Iverson auf ihre Tauglichkeit als bester Spieler der besten Basketball-Liga der Welt geprüft.

„Hätte er in den Siebzigerjahren gespielt – die Leute hätten gesagt, er kommt von einem anderen Stern“, beschreibt Rudy Tomjanovich, ehemaliger Trainer der Los Angeles Lakers, den Deutschen. Lionel Hollins, Assistenztrainer der Memphis Grizzlies, sagte: „Dirk ist ein Freak. Der Junge spielt mit seinen 2,13 Metern wie ein Guard. Mehr muss ich wohl nicht sagen.“ So ist es nachzulesen in dem Bewerbungsschreiben, das die Mavericks für Nowitzki zusammengestellt haben. Doch dieser sagt: „In einem Teamsport wie Basketball wird einer alleine nie etwas gewinnen.“ Als MVP-Kandidat sieht er sich nicht gerne. Er weiß nur zu gut, dass persönliche Bestleistungen nichts zählen, solange gleichzeitig für die Mannschaft nichts Wertvolles dabei herausspringt. Das heißt in seinem Fall: ein NBA-Meistertitel. Davon scheinen die Mavericks auch in diesem Jahr so weit entfernt zu sein wie Nowitzki von seiner Geburtsstadt Würzburg.

„Es ist Zeit für Dirk erwachsen zu werden“, sagt Teamkollege Michael Finley. „Große NBA-Spieler brauchen nun mal eine Portion Egoismus. Manchmal darfst du dich einfach nicht darum kümmern, was deine Teamkollegen denken.“ Genau hier liegt Nowitzkis Problem.

Auch wenn er seit dem Weggang von Steve Nash zu den Phoenix Suns die uneingeschränkte Nummer eins in Dallas ist, mit dem daraus abzuleitenden Führungsanspruch tut er sich immer noch schwer. Doch genau diese Rolle wird inzwischen von ihm verlangt. Die NBA lebt von ihren Superstars so wie Nowitzki von seinem Sprungwurf. Und zum amerikanischen Helden wird man in Texas nun mal im Alleingang – mit dem Colt in der Hand und ohne Rücksicht auf Verluste.

Nowitzki lieferte sich zwar Ende des Jahres einen denkwürdiges Duell mit Houstons Tracy McGrady, an dessen Ende er 53 Punkte erzielt hatte, doch die wirklich wichtigen Duelle finden in den Play-offs statt. „Es ist schwer zu sagen, wie weit dieses Team kommen kann“, sagt Nowitzki. Seine siebte NBA-Saison scheint trotz Karrierebestleistungen wieder kein Happy End für ihn bereitzuhalten. „Wir hatten dieses Jahr schon so viele Löcher zu stopfen – mir gehen allmählich die Finger aus“, sagt Coach Don Nelson. Nur in sieben von bisher 64 Spielen standen ihm alle seine Spieler zur Verfügung. Mit 42 Siegen und 22 Niederlagen stehen die Dallas Mavericks gegenwärtig auf Rang vier der Western Conference. Aktuell muss Dallas auf Centerspieler Erick Dempier und die Guards Jerry Stackhouse und Tariq Abdul-Wahad verzichten.

Individuell gibt es für Nowitzki kaum noch Potenzial nach oben. Den nächsten Karriereschritt wird er nicht alleine gehen können. Um einen Titel gewinnen zu können, braucht er Unterstützung von der Mannschaft. „Ich hoffe, mein großes Ziel in Dallas zu erreichen – wenn nicht, muss ich mir ein Team suchen, mit dem ich Meister werden kann“, sagt er. Irgendwann muss die Zeit der Bauchklatscher vorbei sein.

Martin Fünkele[Dallas]

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