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Sport: Suche nach Führung

Wie Jan Ullrich seine Zukunft plant

Berlin - In den nächsten Tagen wird Jan Ullrich nur zum Auflockern der Muskulatur fahren. Heute in Graz, morgen in Prag, Donnerstag in Mayrhofen und Freitag in Hannover. Auch am Sonntag, beim größten deutschen Eintagesrennen, den Cyclassics in Hamburg, werden viele Fans dem deutschen Radstar zujubeln. Schon gestern feierten ihn 5000 Fans in Bonn beim traditionellen Empfang seines Teams beim Hauptsponsor. Auch bei der Deutschland-Tour ab dem 15. August wird Ullrich gefeiert werden, obwohl er die Tour de France erneut nicht gewonnen hat. Denn ein Nachfolger für den Mann, der den Radsport-Boom in Deutschland mit seinem zweiten Platz bei der Tour 1996 und dem Sieg im folgenden Jahr ausgelöst hat, steht nicht bereit. Die jungen Markus Fothen vom Team Gerolsteiner, Linus Gerdemann (Team CSC) und der ab der kommenden Saison für T-Mobile fahrende Patrik Sinkewitz besitzen großes Talent, aber wohl kein so außergewöhnliches wie Ullrich.

So steht in der Analyse der Tour, mit der einen Tag nach dem Ende der Ära Armstrong auch schon gleich der Vorlauf auf das nächste Jahr beginnt, wieder die Kritik an Ullrichs Vorbereitung im Vordergrund. „Ehrgeiz, Wille, Hunger auf Siege, Disziplin und die professionelle Einstellung, nur für den Sport und ein Ziel zu leben – das ist auch Talent“, sagt T-Mobile-Teamchef Walter Godefroot. In seiner letzten Saison vor dem Ruhestand kritisiert der Belgier seinen Mannschaftskapitän härter als sonst. In Ullrichs Vertrag steht, dass er alleine für seine Vorbereitung verantwortlich ist, daran wird sich auch unter dem neuen Teamchef Olaf Ludwig nichts ändern. Ullrichs Vertrag läuft noch bis 2006, und trotz aller Kritik wäre es für den größten deutschen Radrennstall und den besten deutschen Radfahrer von Vorteil, darüber hinaus zusammenzuarbeiten – wenn der 31 Jahre alte gebürtige Rostocker seine Karriere fortsetzen will. T-Mobile kann den nationalen Star am besten vermarkten, hier bekommt Ullrich seine ihm wichtigen persönlichen Freiheiten.

Die Aussage Lance Armstrongs, dass das Team Discovery Channel darüber nachgedacht habe, Ullrich als seinen Nachfolger zu verpflichten, ist eher ein Ausdruck des Respekts als ein ernsthaftes Angebot. Für Armstrongs ehemaliges Team wäre Ullrich nicht der Richtige. Die Stärke von Discovery bestand darin, dass Armstrong der unumstrittene Chef der vielen guten Fahrer war, die alle klare Aufgaben hatten. Ein solcher Teamleader ist Ullrich nicht. Seit Alexander Winokurows Weggang feststeht, ist T-Mobile auf der Suche nach einem neuen Ko-Kapitän für Ullrich, der ihm Aufgaben wie das Attackieren abnimmt.

Auch Armstrong gab Ullrich die Anregung mit auf den Weg, alles zu unternehmen, um schon am ersten Tag der Tour in bester Verfassung zu sein. Dann könne Ullrich die Tour noch mehrmals gewinnen. Nach den Erkenntnissen müsste er dafür dem Zweiten Ivan Basso beim Zeitfahren Zeit abnehmen und dürfte in den Bergen keine verlieren. Wie Ullrich sich darauf vorbereitet, entscheidet er selbst.

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