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Sport: Süchtig nach Quoten

Experten warnen beim Bundesverfassungsgericht vor privaten Sportwetten

Börsenmaklerin war sie, dann wollte sie einen ruhigeren Job, der mit ihrem alten aber noch irgendwie verwandt ist. So wurde Irene Katzinger-Göth Buchmacherin. Jetzt könnte sie ihren größten Gewinn einfahren und ein Staatsmonopol zu Fall bringen: Oddset, die Sportwette mit festen Quoten. Am Dienstag hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ihre Beschwerde gegen das hoheitlich organisierte Wettgeschäft verhandelt. Dürften künftig auch private Anbieter ran, stünde Deutschland ein Wettboom bevor. Das Bezahlfernsehen Premiere will einen Wettkanal rund um die Uhr senden lassen, einige börsennotierten Unternehmen erwägen den Einstieg, sogar der DFB hat Interesse angedeutet.

Doch zwischen ihnen und dem großen Geschäft stehen die acht Richterinnen und Richter im Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts und die Frage, inwieweit sie bei der Rechtsfindung ihr Gewissen belasten müssen. Denn in der Verhandlung wurde deutlich, welche Gefahren an der Liberalisierung hängen können. „Wir beobachten eine eklatante Zunahme von Süchtigen in allen Sektoren“, sagte Ilona Füchtenschnieder vom Fachverband Glückspielsucht. Sie schätzt die Zahl der Betroffenen in Deutschland auf bis zu 400000 und machte deutlich: „Es gibt ein Verhältnis zwischen Angebot und Sucht.“ Gerade das Setzen nach festen Quoten sei gefährlich, weil der Spieler verleitet werde, systematisch auf den als weniger aussichtsreich eingeschätzten Kandidaten zu wetten.

Aus genau diesen Gründen ist die Oddset-Wette noch fest in staatlicher Hand. Ein Staatsvertrag bündelt die Lotterietätigkeiten der 16 Bundesländer, Die privaten Buchmacher hätten sich mit Oddset arrangieren können, schließlich steht ihnen das historische Recht zu, Pferdewetten anzunehmen. Pech nur, dass die Galopprennbahnen immer weniger Zuschauer und vor allem immer seltener Fernsehkameras anziehen. Seit Oddset ist ihr Umsatz von jährlich 450 Millionen auf 270 Millionen Euro gesunken. „Unsere Beschwerde betrifft eine Existenzfrage“, sagte deshalb der Anwalt der Klägerin Katzinger-Göth. Ihre Kunden hätten nach anderen Sportwetten gefragt – die aber Katzinger-Göth mit Hinweis auf die Rechtslage nicht hätte anbieten dürfen. Jetzt pocht sie auf ihre grundrechtliche Berufsfreiheit.

Damit hat sich die Buchmacherin als skrupulöser erwiesen als viele ihrer Kollegen. Denn die Rechtslage, erkannte auch der Senatsvorsitzende Richter und Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier, „ist gelinde gesagt unübersichtlich“. Das unerlaubte Glückspiel ist laut Strafgesetzbuch verboten, gleichwohl stellt sich die Frage, was eigentlich erlaubt werden kann oder sogar erlaubt werden muss.

Ein Glücksspieler tut zwar etwas sozial Unerwünschtes, wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem nun in Karlsruhe angegriffenen Urteil gesagt hat, aber etwas Natürliches. Die Fußball-WMt könnte allerdings den Trieb entfesseln, fürchtet der bayerische Staatssekretär Georg Schmid. Noch setze der deutsche Wetter pro Kopf und Jahr nur 18 Dollar im Jahr ein – während es in Großbritannien rund 470 und in Hongkong gar 1500 Dollar seien. „Die WM ist aus dieser Sicht ein Menetekel“, sagte Schmid.

Rechtfertigt das ein Monopol? Schließlich monopolisiert der Staat auch nicht Alkohol oder Zigaretten, monierte der Anwalt der Buchmacherin. Und verwies auf den Widerspruch zwischen Werbung und Schutzauftrag bei Oddset. „Wer nicht spielt, hat schon verloren“, heißt es da. Doch für die staatlichen Vertreter zählen selbst Aufforderungen dieser Art zur Prävention. „Die Menschen müssen das Angebot ja wahrnehmen können.“

Das Urteil wird in zwei bis drei Monaten erwartet. „Es wird auf alles gewettet, auf die Papstwahl etwa, und sicher wettet irgendwo jemand auch auf den Ausgang dieses Verfahrens“, sagte Verfassungsrichter Brun-Otto Bryde. Eine Quote nannte er nicht.

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