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Sport: Südkorea taumelt weiter

Von Stefan Hermanns Gwangju. Man müsse sich mal vorstellen, Günter Netzer wäre nach dem Halbfinal-Einzug der deutschen Elf in Tränen ausgebrochen.

Von Stefan Hermanns

Gwangju. Man müsse sich mal vorstellen, Günter Netzer wäre nach dem Halbfinal-Einzug der deutschen Elf in Tränen ausgebrochen. Netzers südkoreanische Kollegen sind anders. Während einer der beiden Kommentatoren des koreanischen Fernsehens am Sonnabend den 5:3-Sieg des Mitgastgeberlandes der WM im Elfmeterschießen über Spanien abmoderierte, weinte der andere haltlos in die Kamera.

Lee Woon-jae hatte im Viertelfinale den entscheidenden Elfmeter des Spaniers Joaquin Sanchez gehalten. Südkorea setzt seine Erfolgsstory fort und trifft nun im Halbfinale am Dienstag in Seoul auf Deutschland. Vor 42 114 Zuschauern hatten beide Mannschaften in 120 langweiligen Minuten keinen Treffer zu Stande gebracht, was allerdings auch am ägyptischen Schiedsrichter El Ghandour lag, der ein klares Tor von Fernando Morientes in der Verlängerung nicht anerkannte. Wenig später scheiterte Morientes am Pfosten. „Ich hatte gedacht, der Schiedsrichter würde in einem Viertelfinalspiel fairer sein. Wir haben bis zum Ende gekämpft und sind ausgeschieden, weil Südkorea mehr Glück als wir hatte“, sagte Spaniens Trainer Jose Antonio Camacho. Seine Spieler hatten die wenigen spielerischen Akzente gesetzt. Gewarnt durch die koreanischen Erfolge gegen Portugal und Italien versuchte seine Elf das Spiel aus einer stabilen Abwehr heraus zu kontrollieren. Allerdings fehlte den Iberern ohne ihren verletzten Stürmerstar Raul in der Spitze eine Anspielstation.

Südkoreas holländischer Trainer Guus Hiddink dagegen mochte nicht diskutieren, wie und warum der Sieg zu Stande kam. „Jetzt ist nicht die Stunde, um über Taktik oder Technik zu reden. Jetzt werden wir ein Glas Champagner trinken und etwas feiern. Ich bin stolz auf meine Spieler.“

Die Südkoreaner hatten bis zuletzt gezittert, gehofft und gebetet: Das entscheidende Elfmetertor von Hong Myung-bo versetzte eine ganze Nation in Wallung. Zum Spielort Gwangju waren etwa 400 000 Fans gepilgert, um im Falle eines weiteren WM-Triumphes in der Nähe der als Volkshelden verehrten Nationalspieler zu sein. Auch Südkoreas Präsident Kim Dae Jung, der mit Schal und Mütze im Stadion saß, zeigte sich begeistert.

Die deutsche Mannschaft hatte das Spiel des kommenden Gegners in ihrem Quartier in Seogwipo am Fernseher verfolgt. „Die Südkoreaner werden sich noch mehr bewegen als die Amerikaner“, sagte Rudi Völler, „wenn wir gegen sie bestehen wollen, dürfen wir nicht nur kämpfen, wir müssen schon ein paar mehr spielerische Akzente setzen. Wir müssen uns noch mehr bewegen, noch mehr Anspielstationen suchen.“ Völler wird auf die wenigen Stärken seines Teams setzen. „Wir haben einen sehr, sehr guten Torwart, sind sehr gefährlich in Standards, beim Kopfball.“

Die Koreaner warfen Portugal, Italien und nun die Spanier aus dem Turnier. „Mehr brauche ich nicht zu sagen“, sagte Völler und ging. „Die haben nur noch eins im Kopf – und das ist die Weltmeisterschaft“, sagte Christian Ziege. „Vergessen wir aber nicht, dass sie ein bisschen Glück hatten gegen Spanien. Da werden Bälle aus gegeben, die nicht aus sind; da werden Tore nicht gegeben, die Tore sind.“ Einfluss auf die Freude der Südkoreaner hatte diese Aussage nicht. „Wir werden laufen wie die jungen Hunde“ prophezeite Guus Hiddink. Was seiner Mannschaft gegen Deutschland bevorsteht, ist ihm klar: „Die Deutschen brauchen nur ein, zwei Chancen, um ein Spiel zu gewinnen.“

Das Spiel am Dienstag ist das zweite Duell zwischen Deutschland und Südkorea. Die einzige Begegnung fand am 27. Juni 1994 bei der WM in den USA statt. Im ausverkauften Cotton Bowl zu Dallas war den Deutschen bei über 50 Grad Celsius im Vorrundenspiel nach einer 3:0-Führung zur Pause ein mühsamer 3:2-Sieg gelungen. Rudi Völler und Oliver Kahn gehörten damals zum deutschen WM-Kader, kamen aber nicht zum Einsatz.

Den aber hatte Stefan Effenberg, der zunächst auf der von ihm ungeliebten rechten Seite verteidigen musste. Als er in der 75. Minute ausgewechselt wurde, zeigte er deutschen Fans den „Stinkefinger“. Effenberg wurde vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) daraufhin nach Hause geschickt.

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