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Sport: Super Bowl 2001: Der Denker mit den breiten Schultern

Thomas R. Nuetten hat etwas von Arnold Schwarzenegger.

Thomas R. Nuetten hat etwas von Arnold Schwarzenegger. Er ist groß, muskulös, lebt in den USA und hat beim Sprechen einen leichten Akzent. Im Englischen einen deutschen sowie umgekehrt. Und wenn der Footballer seinen Job macht, ähnelt er haufig der Filmfigur aus "Der Terminator". Denn der 29-Jährige ist Guard in der Angriffslinie der St. Louis Rams und damit beschäftigt, dem Quarterback so effektiv zu schützen, dass er seine Spielzüge in Ruhe gestalten kann. Das tun viele in der amerikanischen Footballliga NFL, doch bei Tom Nuetten gibt es drei besondere Aspekte. Er passt auf Kurt Warner auf, den prominentesten Quarterback Amerikas. Er hat eine deutsche Mutter und war zudem im vorigen Jahr im Finale der NFL erfolgreich, beim Sieg der St. Louis Rams über die Tenessee Titans. Tom Nuetten ist der erste deutschstämmige Super-Bowl-Gewinner.

Nuetten ist zwar amerikanischer Staatsbürger und in Toledo im US-Bundesstaat Ohio geboren, dennoch hat er von seinem zweiten bis zu seinem 16. Lebensjahr in Ölde/Westfalen gewohnt, wo noch heute seine Mutter lebt. Und weil sein Akzent verbunden mit seiner Stärke so an den österreichischen Hollywoodstar erinnert, hat er ebenso wie der deutsche College-Nachwuchsspieler Constantin Ritzmann in den USA den Spitznamen "Germinator". "Das höre ich zum ersten Mal", sagt Nuetten, und er wirkt beinahe verlegen. Also doch nur ein Gerücht von deutschen Fans, um den deutschen Star in der NFL zu puschen. Nuetten lacht. "Der Vergleich stört mich nicht. Ich habe einen guten Charakter und muss schließlich auch etwas Gutes gemacht haben, damit mich die Leute überhaupt als so eine Figur wahrnehmen." Er beschreibt sich als ruhig und nachdenklich. Ein Denker auf dem Footballfeld.

Und doch hält er sich für durchsetzungsfähig und verbissen im positiven Sinn. Muss er auch gewesen sein. Wie sonst schafft ein Spätstarter wie er den Weg über vier Jahre Highschool in Kanada, über die NFL Europe bis zum Super Bowl. Zwischendurch hatte Nuetten mehr Tiefs als Hochs, er dachte sogar ans Aufgeben. "Doch dann habe ich gesagt: Jetzt versuchst du es noch einmal."

Das hat dann zum gut dotierten Vertrag in der NFL geführt, der noch zwei Jahre läuft. Aber noch ruht er sich auf seinem Erfolg nicht aus. "Ich gehe immer vorwärts und schaue erst nach meiner Karriere zurück." Er hat den Erfolg, wie er sagt "auf die Wärmeplatte gelegt" und trägt den 5000 Dollar Super-Bowl-Ring nur, wenn er gebeten wird. Ansonsten ist der Ring in seinem Haus in Naples (Florida) versteckt.

Vor dem diesjährigen Endspiel ist er in den Urlaub geflogen. Ganz weit weg, auf die Bahamas. Nach dem frühzeitigen Ausscheiden der Rams in den Play-offs würde ein Besuch in Tampa jetzt zu sehr schmerzen. Nuetten möchte das Erlebnis Super Bowl in besonderer Erinnerung behalten. Eine Erinnerung, die er nur schwer in Worte fassen kann. Ebenso schwer fällt es ihm, die Faszination Super Bowl zu erklären. "Das ist zu 50 Prozent das Spiel selbst und zu 50 Prozent der Zirkus drumherum."

Unter den deutschen Footballfans ist Tom Nuetten so etwas wie ein Superstar, in den USA kann er nach wie vor ohne Probleme auf die Straße gehen. Die Belästigung hält sich in Grenzen. Das sieht bei seinem Freund Kurt Warner, der nach einer Traumsaison im vorigen Jahr zum Superstar wurde, ganz anders aus. "Wenn Kurt heute ins Kino gehen will, muss er dort vorher anrufen und fragen, ob sie ihn durch den Noteingang reinlassen", sagt Nuetten. Nein, auf Warners Rolle ist er nicht neidisch. "Ich bin nur halb populär, das gefällt mir. Die meisten gucken eher, weil ich so groß bin. Ich kann mich noch frei bewegen." Auf den Bahamas wird das ähnlich sein. Deshalb kann Nuetten sich in aller Ruhe das Finale ansehen. Wer gewinnt, will er aber nicht sagen. "Ich war früher schon kein großer Fan. Hauptsache das Spiel ist interessant."

Ingo Wolff

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