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Bostons Bester. Als ihn sein Klub verpflichtete, war Tom Brady der Ersatzmann des Ersatzmannes. Mittlerweile steht er komplett über den Dingen.

© Charles Krupa/dpa

Super Bowl: Tom Brady ist der Herr der Ringe

41 Jahre alt und kein bisschen müde: Footballer Tom Brady kann in der Nacht auf Montag zum sechsten Mal den Super Bowl gewinnen.

Brandon Spikes hat dieser Tage eine vielsagende Geschichte aus seiner Zeit bei den New England Patriots erzählt. Nach einer starken Saison in der US-amerikanischen National Football League (NFL) schaffte der Verteidiger nicht den Sprung in den „Pro Bowl“; die Einladung zum All-Star-Spiel auf Hawaii ist eine große Auszeichnung und zudem förderlich für den Marktwert. Spikes saß also in der Umkleidekabine, hin- und hergerissen zwischen Wut und Enttäuschung. „Ich hatte Tränen in den Augen. Ein paar Kollegen haben versucht, mich aufzumuntern“, zitiert das Magazin „Sports Illustrated“ den Ex-Profi.

Dann betrat ein Mann den Raum, dem Spikes angesichts seiner Rolle im Team einen wunderbaren Spitznamen verpasst hatte: der Pharao. Und besagter Pharao, mit bürgerlichem Namen Tom Brady, sprach: „Brandon, glaubst du, ich spiele dieses Spiel, um zum Pro Bowl zu fahren? Reiß dich zusammen! Kopf hoch! Wir versuchen, Ringe zu gewinnen. So läuft das hier bei uns.“ Der Meisterschaftsring – in den USA ist er eine vergoldete, mit Brillanten verzierte Erinnerung an einen großen sportlichen Erfolg. Und Thomas Edward Patrick Brady, den alle nur Tom nennen, ist gewissermaßen der Herr der Ringe.

Fünf NFL-Titel hat der 41-Jährige in seiner langen Karriere schon gewonnen; mit seiner fünften Meisterschaft ist Brady bereits am legendären Joe Montana vorbeigezogen, der lange als bester Quarterback der Geschichte galt. Inklusive des Finals im Februar 2019 steht Brady bei neun Super-Bowl-Teilnahmen. Er allein hat damit mehr Endspiele bestritten als jeder andere NFL-Klub außerhalb Bostons. In der Nacht zu Montag (ab 0.30 Uhr live auf ProSieben) kann Brady nun das halbe Dutzend vollmachen. Dann treffen die New England Patriots in Atlanta auf den zweiten Finalisten: die Los Angeles Rams.

Für Brady schließt sich ein Kreis

Bei den Buchmachern gelten die Patriots als leichter Favorit. Gemessen an den eigenen Ansprüchen haben sie zwar eine eher durchwachsene Saison gespielt (elf Siege, fünf Niederlagen). Als es wirklich drauf ankam, in der viel zitierten „Crunch Time“, konnte sich das Team allerdings auf die Klasse ihres Spielmachers verlassen. Wie immer bei Brady

Für den Mann aus dem US-Bundesstaat Kalifornien schließt sich mit dem 53. Super Bowl auch ein Kreis. Vor 17 Jahren gewann Brady seine erste Meisterschaft gegen die Rams, die damals noch in St. Louis beheimatet waren und mittlerweile an die Westküste umgezogen sind. Brady war seinerzeit ein Niemand, der erst durch die Verletzung des etatmäßigen Quarterbacks Drew Bledsoe seine Chance erhielt.

Bei der alljährlichen Talentwahl (Draft) hatten ihn die Patriots als Ersatzmann des Ersatzmanns verpflichtet; er ging in der sechsten Runde an Position 199 über den Ladentisch, kurz vor Ultimo also. Oder anders formuliert: Allein im Jahr 2000 befanden die massiv besetzten Scouting-Abteilungen der NFL-Klubs 198 Spieler für besser als Brady. Rückblickend muss man feststellen: Sie lagen selten so daneben.

So besessen wie Gollum

Brady dagegen war vom ersten Tag an überzeugt von sich selbst. Robert Kraft, der Besitzer der Patriots, hat mittlerweile x-mal die Geschichte des ersten Treffens erzählt. „Als wir ihn unter Vertrag genommen hatten, kam er zu mir und meinte: Mister Kraft, das war die beste Entscheidung, die sie jemals getroffen haben. Sie werden es nicht bereuen“, sagt Kraft.

Viele hielten Brady für eitel, arrogant, größenwahnsinnig. In den folgenden Jahren sollte er seinen Teil der Abmachung allerdings stets souverän erfüllen: Nach dem Sieg über die Rams im Jahr 2002 entwickelte er sich zu einem unangefochtenen Stamm- und Führungssspieler, in den Jahren 2004, 2005, 2015 und 2017 warf er die Patriots zu weiteren Meisterschaften. Der Super Bowl vor zwei Jahren gilt bis heute als größte Aufholjagd der Footballgeschichte auf der größtmöglichen Bühne: Mitte des dritten Viertels lag Bradys Team mit 3:28 gegen die Atlanta Falcons hinten, ein vermeintlich aussichtsloser Rückstand. Am Ende gewann New England – 34:28 nach Verlängerung. Brady weiß also, wie es geht, er hat in 19 NFL-Jahren fast alles erlebt.

In der Woche vor dem Super Bowl saß der Star-Quarterback mit seinem Pendant aus LA auf einem Podium, mit Rams-Spielmacher Jared Goff. Welche Tipps er dem 17 Jahre jüngeren Kollegen vor dessen erstem Finale womöglich geben kann, wurde Brady vom Moderater gefragt. Er hätte ganz einfach charmant antworten können, stattdessen sagte er nur: „Ich werde ihm doch keinen Tipp geben!“ Der Herr der Ringe, er ist auch im fortgeschrittenen Alter von 41 Jahren noch immer so besessen wie Gollum im gleichnamigen Hollywood-Film.

Wie groß die Chance aufs Karriereende im Falle eines sechsten Titels ist, sollte Brady noch ausführen. Er antwortete mit einem Wort: „Null!“

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