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Ein Mann sieht rot. Felix Magath, der zuletzt an einer Augenentzündung litt, will juristisch gegen seine Entlassung beim FC Schalke 04 vorgehen. Foto: dapd

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Sport: Tag der Abrechnung

Die Servicekraft im Medienzentrum der Schalker Arena hatte wie immer eine Batterie Teebeutel auf der Theke platziert.Ein Reporter kommentierte das gewohnte Bild süffisant: „Den Tee können sie wegräumen, der wird hier nicht mehr gebraucht.

Die Servicekraft im Medienzentrum der Schalker Arena hatte wie immer eine Batterie Teebeutel auf der Theke platziert.Ein Reporter kommentierte das gewohnte Bild süffisant: „Den Tee können sie wegräumen, der wird hier nicht mehr gebraucht.“ Die Frau aber erwiderte, sie traue „dem Braten noch nicht“. Wenige Minuten später betrat der Aufsichtsrat des FC Schalke 04 den Raum, und Clemens Tönnies, der Vorsitzende des Gremiums, verkündete, was allgemein erwartet wurde: Der Bundesligaklub hat sich mit sofortiger Wirkung von Felix Magath getrennt, der gut 21 Monate lang Trainer, Manager, Vorstandsmitglied und Chef-Teetrinker des FC Schalke war.

Entgegen seiner Ankündigung war Magath der Sondersitzung fern geblieben und hatte auf sein satzungsgemäßes Anhörungsrecht verzichtet. Tönnies sagte, die einstimmige Entscheidung des Gremiums sei „richtig und wichtig für die Zukunft des Vereins“. Nach seiner Entmachtung teilte Magath über einen Anwalt mit, er habe offiziell und schriftlich gekündigt. „Herr Magath hat die unberechtigte und unwirksame Abberufung als Vorstand zum Anlass genommen, seinen Anstellungsvertrag mit sofortiger Wirkung zu kündigen“, hieß es in der Mitteilung. Magath selbst wurde mit den Worten zitiert, er bedauere sehr, dass seine „erfolgreiche Tätigkeit für Schalke 04 ein solch unschönes Ende nehmen musste“. Die Schalker Führung leitete aus der Kündigung ab, dass dem Klub durch Magaths Abgang keine Kosten entstehen. „Durch das heutige Verhalten von Felix Magath fühlen wir uns bestätigt und stellen fest, dass er keine Ansprüche gegen den FC Schalke 04 hat“, hieß es am Mittwochabend in einer Mitteilung. Ein Rechtsstreit dürfte trotzdem unausweichlich sein.

In der aktuellen Saison fiel die Mannschaft zwar ins Mittelfeld zurück, erreichte aber das Endspiel des DFB-Pokals und steht im Viertelfinale der Champions League. Die Entscheidung habe „mit sportlichen Ergebnissen überhaupt nichts zu tun“, sagte Tönnies. „Ich habe schließlich auch, als wir auf Platz 16 standen, den Kopf aus dem Fenster gehalten und gesagt, wir gehen mit diesem Meistertrainer weiter.“ Warum der Weg nach nicht einmal der Hälfte der Distanz zu Ende ist, wollte Tönnies mit Blick auf die offenbar anstehende juristische Auseinandersetzung nicht im Einzelnen erläutern.

Der Chef des Aufsichtsrates sprach nur von einem „Schlüsselerlebnis“, das ihn vor kurzem dazu veranlasst habe, sich „innerhalb von einer Sekunde um 180 Grad zu drehen“. Schalke habe Wirtschaftsprüfer beauftragt, eine Revision vorzunehmen. Die Ergebnisse dieser Prüfung will der Verein jetzt offenbar gegen Magath verwenden, um die Kosten für weitere Gehaltszahlungen oder eine Abfindung von bis zu zwölf Millionen Euro einzusparen. „Bei der Revision haben wir Dinge nicht so vorgefunden, wie wir sie hätten vorfinden müssen“, sagte Tönnies. Dieser Hinweis enthält den verklausulierten Vorwurf, Magath könnte Unregelmäßigkeiten zu verantworten haben. Der Trainer, der auch Sprecher des Vorstands war, hatte mehrmals behauptet, die Personalkosten gesenkt und den Wert des Kaders gesteigert zu haben. Mit Blick auf das Kostenmanagement widersprach Tönnies. „Dass wir die Kosten der Mannschaft nachhaltig reduziert hätten, halte ich für die Aussage von jemandem, der vielleicht nicht ganz genau hingesehen hat.“

Deutlicher als die wirtschaftlichen Hintergründe beleuchtete Tönnies die sportliche Seite der Trennung. In dieser Saison habe der Mannschaftsrat sich zweimal massiv über den autoritären Führungsstil Magaths beschwert. Daraufhin sei es zu einem Gespräch zwischen dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates und Magath gekommen. „Viel gesagt hat er nicht, er hat hauptsächlich im Tee gerührt“, berichtet Tönnies. Einige Zeit später hätten die Spieler gesagt, es werde „immer schlimmer“. Daraufhin wurde Tönnies energischer, und es entwickelte sich eine „ziemliche Auseinandersetzung“ mit dem Trainer.

Um Magaths Arbeitsstil Rechnung zu tragen, hatte der Aufsichtsrat ihn mit Entscheidungsbefugnissen ausgestattet, wie sie noch kein Trainer des FC Schalke für sich in Anspruch nehmen konnte. Nun übernimmt Horst Heldt, im Vorstand zuletzt überwiegend mit Marketing befasst, von Magath die Ressorts Sport und Kommunikation, Finanzvorstand Peter Peters zeichnet nun auch für das Marketing verantwortlich.

Es wird nun damit gerechnet, dass Ralf Rangnick, zuletzt in Hoffenheim beschäftigt, nach Schalke zurückkehrt, wo er schon von September 2004 bis Dezember 2005 erfolgreich gearbeitet hatte. Der 52-Jährige bestätigte am Mittwochabend, mit Schalke verhandelt zu haben. Ob Rangnick noch in dieser Saison zur Verfügung steht, ist offenbar noch zu klären. Beim Bundesligaspiel an diesem Sonntag in Leverkusen wird Magaths bisheriger Assistenzcoach Seppo Eichkorn als Interimstrainer auf der Bank sitzen.

Wer immer Magaths Nachfolger als Cheftrainer wird: Tönnies behauptet, dass der Personalwechsel unausweichlich war. Auf Worte des Dankes und des Bedauerns hat er vor der Presse verzichtet. „Der Zug FC Schalke 04 hält nicht an, er hat sich nur vom Lokführer getrennt.“

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