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Tagesspiegel-Interview: Angela Merkel: „Diese Sportler sind Vorbilder für alle“

Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht im Interview mit dem Tagesspiegel über die steigende Bedeutung des Behindertensports – und ihre Faszination für die paralympische Bewegung.

Frau Bundeskanzlerin, Sie engagieren sich intensiv für den Behindertensport – aus Gutmenschentum?

Der Sport bietet Menschen mit Behinderung einzigartige Möglichkeiten, sich selbst und in Gemeinschaft mit anderen zu bestätigen. Besonders beim Behindertensport kommen der Lebensmut, die Lebensfreude und der starke Wille der Aktiven eindrucksvoll zum Ausdruck. Außerdem fördert Sport das soziale Miteinander und überwindet Hindernisse.

Wie denn?

Die meisten Barrieren, die zwischen Menschen bestehen, beruhen auf Unwissenheit und Unsicherheit im Umgang miteinander. Der Sport leistet hier einen wichtigen Integrationsbeitrag. Ich möchte mit dazu beitragen, dass dem Behindertensport auch in der öffentlichen Wahrnehmung die Aufmerksamkeit zukommt, die er angesichts der erbrachten herausragenden Leistungen verdient.

Sie sind Gast der Paralympics-Gala in Berlin. Was erwarten Sie sich davon?

Bei der „Nacht der Stars“ werden unter anderem Sportlerinnen und Sportler geehrt, die Besonderes geleistet haben. Ich erwarte mir von diesem Abend gute persönliche Begegnungen, ermutigende Erfolgsgeschichten und viele Anregungen aus dem Sport auch für andere Politik- und Gesellschaftsbereiche.

Welche Anregungen können das sein, was können paralympische Sportler überhaupt für Menschen mit Behinderung bewirken?

Sportlerinnen und Sportler mit Behinderung zeigen außergewöhnliche und hervorragende Leistungen – und sie treten vorbildlich auf. Sie zeigen, dass es möglich ist, selbstgesteckte Ziele durch aktive Lebensgestaltung zu erreichen. Sie sind deshalb in unserer Gesellschaft Vorbilder für alle, nicht allein für andere Menschen mit Behinderung.

Wie fördert denn die Bundesregierung den Sport von Menschen mit Behinderung?

Die Bundesregierung fördert entsprechend ihrer Zuständigkeit in erster Linie den Spitzensport, und zwar nach den gleichen Kriterien wie den Spitzensport der Nichtbehinderten. Dabei konnte eine beachtliche Steigerung der Fördersumme von vier Millionen Euro vor drei Jahren auf 6,56 Millionen Euro im laufenden Jahr erreicht werden. Auf diesen Aufwuchs in nicht einfachen Zeiten bin ich schon ein bisschen stolz.

Aber kann man nicht noch mehr tun? Sportminister Wolfgang Schäuble wirbt etwa dafür, mehr Leistungssportler mit Behinderung bei Bundesbehörden anzustellen.

Diese Initiative von Minister Schäuble unterstütze ich sehr, denn so können wir die Vereinbarkeit von sportlicher und beruflicher Karriere erleichtern. Soviel ich weiß, sind im Geschäftsbereich des Innenministeriums derzeit einige Sportlerinnen und Sportler beschäftigt, die bei den Paralympics alle sehr erfolgreich waren. Auch aus der Wirtschaft gibt es ähnliche Beispiele. Dies begrüße ich außerordentlich. Ich bin jedenfalls sehr dafür, dass die Bundesregierung auch in Zukunft weitere Sportlerinnen und Sportler individuell bei ihrer beruflichen Karriere unterstützt.

Haben Sie denn selbst in Ihrem persönlichen Umfeld Berührungspunkte mit Behinderten? Halten Sie auch Kontakt zu behinderten Sportlern?

Soweit mein enger Terminplan es zulässt, suche ich den Kontakt zu Sportlerinnen und Sportlern mit Behinderung bei möglichst vielen Gelegenheiten. Erst im vergangenen Monat habe ich die Medaillengewinner der Olympischen und Paralympischen Spiele 2008 zu einem gemeinsamen Empfang ins Bundeskanzleramt eingeladen. Die persönliche Begegnung und das Gespräch mit den Aktiven sind mir dabei immer sehr wichtig. Auch bei der diesjährigen „Nacht der Stars“ steht dies neben den verdienten Ehrungen für mich an erster Stelle.

Behindertensportler fordern inzwischen, die Sportverbände von Menschen mit und ohne Handicaps zusammenzulegen. Was halten Sie davon?

Der Sport ist in Deutschland autonom verfasst und entscheidet derartige organisatorische Fragen eigenständig. Ich kann und möchte mich da gar nicht einmischen. Ganz bewusst habe ich aber erstmals unsere Olympische und Paralympische Mannschaft gemeinsam im Kanzleramt empfangen. Alle Athletinnen und Athleten haben das als sehr gelungen und positiv empfunden. Klar ist: Der paralympische Sport steht dem olympischen in Nichts nach und sollte auch entsprechend gewürdigt werden – was auch die öffentliche Berichterstattung einschließt.

Frau Merkel, Sie haben bei EM und WM der Fußballer begeistert mitgefeiert und schwärmen auch von den Paralympics. Was kann Sport den Menschen geben?

Mit dem Sport verbinden sich Fairplay und Leistung, Teamgeist und Respekt vor dem Gegner. Er steht allen gleichermaßen offen – unabhängig von Alter, Geschlecht, Religion, Bildung und Einkommen. So erreicht Sport viele Menschen.

Die Fragen stellten Robert Ide und Annette Kögel.

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